Dubliner (German Edition)
wie leicht es doch war, einen richtigen Herrn zu erkennen, auch wenn er ein Gläschen zu viel getrunken hatte.
Alle riefen: Ah, da ist Maria! , als sie Joes Haus erreichte. Joe war da, er war aus dem Geschäft nach Hause gekommen, und die Kinder hatten ihre Sonntagskleider an. Zwei große Mädchen von nebenan waren auch da, und es wurdenSpiele gespielt. Maria gab die Tüte mit dem Kuchen dem ältesten Jungen, Alphy, damit er ihn verteile, und Mrs Donnelly sagte, es sei wirklich lieb von ihr, so eine große Tüte Kuchen mitzubringen, und alle Kinder mussten sagen:
– Danke, Maria.
Aber dann sagte Maria, für Papa und Mama habe sie etwas Besonderes mitgebracht, etwas, das ihnen bestimmt schmecken werde, und sie suchte nach dem Pflaumenkuchen. Sie sah in der Tüte von Downes nach und dann in den Taschen ihres Regenmantels und dann auf dem Garderobenständer, aber sie konnte ihn nirgends finden. Dann fragte sie alle Kinder, ob eins von ihnen den Kuchen gegessen habe – natürlich aus Versehen –, aber die Kinder sagten alle Nein und machten Gesichter, als wollten sie auch keinen Kuchen essen, wenn man sie anschließend des Diebstahls bezichtigte. Jeder hatte eine Erklärung für das Rätsel, und Mrs Donnelly sagte, es sei klar, dass Maria ihn in der Straßenbahn liegen gelassen habe. Maria erinnerte sich nun, wie der Herr mit dem grauen Schnurrbart sie verwirrt hatte, und errötete vor Scham und Ärger und Enttäuschung. Bei dem Gedanken, dass ihre kleine Überraschung misslungen war und sie zwei Shilling und vier Pence zum Fenster hinausgeworfen hatte, wäre sie fast in Tränen ausgebrochen.
Aber Joe sagte, das sei doch nicht schlimm, und bat sie, sich ans Kaminfeuer zu setzen. Er war sehr nett zu ihr. Er erzählte ihr, was sich in seinem Büro alles ereignete, und wiederholte die schlagfertige Antwort, die er seinem Vorgesetzten gegeben hatte. Maria begriff nicht, weshalb Joe über diese Antwort so laut lachte, aber sie sagte, mit diesem anmaßenden Prokuristen sei gewiss schwer auszukommen. Joe meinte, er sei gar nicht so übel, wenn man ihn zu nehmen wisse, und dass er ein ganz anständiger Kerl sei, solange man ihm nicht in die Quere komme. Mrs Donnelly spielte etwas auf dem Klavier, und die Kinder tanzten und sangendazu. Dann reichten die beiden Mädchen von nebenan die Nüsse herum. Niemand konnte den Nussknacker finden, und Joe wäre deswegen fast böse geworden und fragte, wie sie sich denn vorstellten, dass Maria ohne Nussknacker eine Nuss aufkriegen solle. Aber Maria sagte, sie mache sich gar nichts aus Nüssen, und sie sollten ihretwegen keine Umstände machen. Dann fragte Joe, ob sie gern eine Flasche Stout haben möchte, und Mrs Donnelly sagte, sie hätten auch Portwein im Haus, wenn ihr das lieber wäre. Maria erwiderte, dass sie am liebsten gar nichts nehmen würde: Aber Joe blieb beharrlich.
Also gab Maria nach, und so saßen sie am Kamin und redeten von den alten Zeiten, und Maria dachte, sie würde ein gutes Wort für Alphy einlegen. Aber Joe schrie, der Blitz solle ihn treffen, wenn er je wieder ein Wort mit seinem Bruder spräche, und Maria sagte, es tue ihr leid, dieses Thema erwähnt zu haben. Mrs Donnelly sagte zu ihrem Mann, es sei eine Schande, wie er von seinem eigen Fleisch und Blut rede, aber Joe behauptete, Alphy sei nicht sein Bruder, und fast wäre es zu einem richtigen Krach gekommen. Joe sagte dann, an so einem Abend wolle er sich die Laune nicht verderben lassen, und bat seine Frau, noch ein paar Flaschen Stout aufzumachen. Die beiden Mädchen von nebenan hatten ein paar Halloween-Spiele * vorbereitet, und bald waren alle wieder fröhlich. Maria war entzückt, die Kinder so vergnügt und Joe und seine Frau so guter Dinge zu sehen. Die Mädchen von nebenan stellten ein paar Untertassen auf den Tisch und führten dann die Kinder mit verbundenen Augen zum Tisch. Eins bekam das Gebetbuch, und die anderen drei bekamen das Wasser; und als eins der Mädchen von nebenan den Ring bekam, drohte Mrs Donnelly dem errötenden Mädchen mit dem Finger, als wollte sie sagen: Oh, ich weiß Bescheid! Dann bestanden sie darauf, auch Maria die Augen zu verbinden und sie zumTisch zu führen, um zu sehen, was sie bekommen würde; und während sie ihr die Binde umlegten, lachte Maria und lachte, bis ihre Nasenspitze fast die Spitze ihres Kinns berührte.
Unter Lachen und Scherzen führten sie sie zum Tisch, und als sie dazu aufgefordert wurde, streckte sie einen Arm aus. Sie bewegte ihre Hand in der
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