Dubliner (German Edition)
Tisch wurde abgeräumt, und die beiden Männer stützten ihre Ellbogen darauf und verschränkten die Hände. Wenn Paddy Leonard Los! sagte, sollte jeder versuchen, die Hand des andern auf die Tischplatte zu zwingen. Farrington sah ernst und entschlossen aus.
Der Wettkampf begann. Nach etwa dreißig Sekunden drückte Weathers die Hand seines Gegners langsam herunter auf den Tisch. Farringtons weinrotes Gesicht lief noch dunkler an vor Zorn und vor Beschämung darüber, von einem solchen Jüngelchen besiegt worden zu sein.
– Du darfst dabei nicht dein Körpergewicht einsetzen. Das ist unfair, sagte er.
– Wer ist hier unfair?, fragte der andere.
– Los, noch mal. Wer bei drei Versuchen zweimal gewinnt.
Der Wettkampf begann noch einmal. Die Adern auf Farringtons Stirn schwollen, und das blasse Gesicht von Weathers lief rosa an. Ihre Hände und Arme zitterten vor Anstrengung. Nach langem Kampf drückte Weathers die Hand seines Gegners erneut langsam hinunter auf den Tisch. Vonden Zuschauern kam ein beifälliges Murmeln. Der rothaarige Kellner, der beim Tisch stand, deutete mit einer Kopfbewegung auf den Sieger und sagte mit dümmlicher Vertraulichkeit:
– Ja, so muss man’s machen!
– Was zum Teufel verstehst du schon davon?, fuhr Farrington den Mann wütend an. Was mischst du dich da ein?
– Sch! Sch!, sagte Halloran, als er Farringtons wutentbranntes Gesicht sah. Zeit zum Löhnen, Jungs. Ein Schlückchen nehmen wir noch, und dann gehen wir.
*
Ein sehr finster dreinblickender Mann stand an der Ecke zur O’Connell Bridge und wartete darauf, dass ihn die kleine Sandymount-Trambahn * heimbringen würde. Er war erfüllt von schwelender Bitterkeit und Rachgier. Er fühlte sich gedemütigt und tief enttäuscht. Er fühlte sich nicht einmal betrunken, und in seiner Tasche waren nur noch zwei Pennys. Er verfluchte alles. Im Kontor hatte er sich alles verscherzt, er hatte seine Uhr verpfändet, sein ganzes Geld verpulvert; und jetzt war er nicht einmal betrunken. Sein Durst kehrte zurück, und er sehnte sich nach der stickigen, stinkenden Kneipe. Seinen Ruf als starker Mann hatte er eingebüßt, weil er einem Grünschnabel zwei Mal unterlegen war. Er kochte vor Wut, und wenn er an die Frau mit dem großen Hut dachte, und wie sie ihn angestoßen und Pardon! gesagt hatte, schnürte ihm seine Wut fast den Hals zu.
Seine Straßenbahn setzte ihn an der Shelbourne Road ab, und er lenkte seinen massigen Körper im Schatten der Kasernenmauer entlang. Es graute ihm davor, in sein Zuhause zurückzukehren. Als er durch die Seitentür eintrat,fand er die Küche leer und das Herdfeuer fast erloschen. Er brüllte ins obere Stockwerk:
– Ada! Ada!
Seine Frau war eine kleine Person mit scharfen Gesichtszügen, die ihren Mann schikanierte, wenn er nüchtern war, und von ihm schikaniert wurde, wenn er betrunken war. Sie hatten fünf Kinder. Ein kleiner Junge kam die Treppe heruntergerannt.
– Wer ist das?, fragte der Mann und sah angestrengt in die Finsternis.
– Ich, Pa.
– Wer bist du? Charlie?
– Nein, Pa. Tom.
– Wo ist deine Mutter?
– In der Kirche.
– Ach, richtig ... Hat sie daran gedacht, mir etwas zum Abendessen übrig zu lassen?
– Ja, Pa, ich ...
– Mach die Lampe an. Was fällt dir ein, das Haus im Dunkeln zu lassen! Sind die anderen Kinder im Bett?
Der Mann ließ sich auf einen Stuhl fallen, während der kleine Junge die Lampe anzündete. Er fing an, den breiten Akzent seines Sohnes nachzuahmen, indem er halb zu sich selbst sagte: In der Kirche. In der Kirche, bitte sehr! Als die Lampe brannte, schlug er mit der Faust auf den Tisch und schrie:
– Und was krieg ich zum Abendessen?
– Ich ... ich wärm’s dir auf, Pa, sagte der kleine Junge.
Der Mann sprang wütend auf und deutete auf den Herd.
– Auf diesem Feuer? Du hast das Feuer ausgehen lassen! Bei Gott, ich werd dich lehren, das noch mal zu tun!
Er machte einen Schritt zur Tür und ergriff den Spazierstock, der dahinter lehnte.
– Ich werd dir beibringen, das Feuer ausgehen zu lassen!,brüllte er und krempelte einen Ärmel hoch, um den Arm frei bewegen zu können.
Der kleine Junge schrie Bitte, Pa! und rannte wimmernd um den Tisch, aber der Mann verfolgte ihn und bekam ihn an der Jacke zu fassen. Der kleine Junge sah sich verzweifelt um und ließ sich, da er keinen Ausweg sah, auf die Knie fallen.
– Wehe, wenn du das Feuer noch einmal ausgehen lässt!, rief der Mann und schlug mit aller Kraft zu. Das hast du davon, du
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