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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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von seiner Kiste und ging zum Feuer. Als er mit seiner Beute zurückkam, sagte er mit tiefer Stimme:
    – Unsere Seite des Hauses respektiert ihn, weil er ein Gentleman war.
    – Ganz recht, Crofton!, sagte Mr Henchy. Er war der Einzige, der diesen Sack voll Katzen bändigen konnte. Platz, ihr Hunde! Legt euch, ihr Köter! So ist er mit ihnen umgesprungen. Komm rein, Joe! Komm rein!, rief er, als er Mr Hynes in der Tür sah.
    Mr Hynes kam langsam herein.
    – Mach noch eine Flasche Stout auf, Jack, sagte Mr Henchy. Ach, ich hab ganz vergessen, dass wir keinen Korkenzieher haben. Reich mir eine her, und ich stell sie ans Feuer.
    Der alte Mann reichte ihm eine weitere Flasche, und er stellte sie auf die Kochplatte.
    – Setz dich, Joe, sagte Mr O’Connor, wir sprachen gerade vom Häuptling.
    – Ganz recht!, sagte Mr Henchy.
    Mr Hynes saß seitlich am Tisch neben Mr Lyons, sagte aber nichts.
    – Hier ist jedenfalls einer, sagte Mr Henchy, der ihn nicht verleugnet hat * . Weiß Gott, Joe, das muss ich dir lassen! Du hast weiß Gott zu ihm gehalten wie ein Mann!
    – Ach, Joe, sagte Mr O’Connor unvermittelt. Lies uns doch dieses Ding vor, das du mal geschrieben hast – weißt du noch? Hast du’s bei dir?
    – Oh ja!, sagte Mr Henchy. Lies es vor. Hast du’s je gehört, Crofton? Dann hör’s dir jetzt an: großartige Sache.
    – Na komm, sagte Mr O’Connor. Leg los, Joe.
    Mr Hynes schien sich nicht gleich erinnern zu können, welches Stück sie meinten, und dachte eine Weile nach, dann sagte er:
    – Ach, das Ding ... Aber das ist doch schon uralt.
    – Lass es hören, Mann!, sagte Mr O’Connor.
    – Pst, pst!, machte Mr Henchy. Jetzt, Joe!
    Mr Hynes zögerte noch ein bisschen. Um ihn herum war alles still, als er seinen Hut abnahm, ihn auf den Tisch legte und aufstand. Er schien das Stück im Geiste zu rekapitulieren. Nach einer ziemlich langen Pause verkündete er:
    PARNELLS TOD *
    6. Oktober 1891
    Er räusperte sich ein-, zweimal und begann dann zu rezitieren:
    Tot! Unser ungekrönter König!
    O Erin * , traure voller Schmerz,
    Denn er ist tot, dem eine Horde
    Von Heuchlern brach das edle Herz.
    Von feigen Hunden hingestreckt,
    Die aus den Tiefen er erhoben;
    Und Erins Hoffnung, Erins Träume
    Verfliegen mit des Königs Odem.
    In Hütte, Haus oder Palast –
    Das irisch Herz, wo es auch pocht,
    Ist gramerfüllt, denn er ist tot,
    Der für ein bess’res Irland focht.
    Er hätte Erin Ruhm gebracht,
    Die grüne Flagge stolz entrollt;
    Und seinen Lenkern, Barden, Kriegern
    Hätte die Welt Respekt gezollt.
    Er träumte (ach! es blieb ein Traum)
    Von Freiheit, doch feiger Verrat
    Bracht ihn zu Fall, da’s fast vollbracht,
    Auf des Erfolges stein’gem Pfad.
    Verflucht die Hand, die diesem Mann
    Das Leben nahm; mit Judaskuss
    Der Priesterschaft ihn übergab,
    Die ihn gehasst, wie sie es muss.
    Ewige Schande über alle,
    Die frech und schmählich sich erkühnten,
    Den hehren Namen zu besudeln,
    Und doch nur seinen Spott verdienten!
    Er fiel, wie nur die Großen fallen:
    Mutig und stolz bis an sein Ende.
    Der Tod stellt ihn nun Seit’ an Seit,
    Wie’s ihm gebührt, mit Erins Helden.
    Er ruhe sanft und ungestört
    Von Zank und Streit und Schwerterklingen.
    Kein Ehrgeiz treibt ihn mehr voran,
    Den höchsten Lorbeer zu erringen.
    Der Feinde Wunsch hat sich erfüllt,
    Er liegt im Staub. Doch zaget nicht:
    Sein Geist steigt aus der Asche auf,
    Wenn Erins Tag dereinst anbricht:
    Der Tag, der uns die Freiheit bringt.
    An diesem Tag erklingt es hell
    Im ganzen Land: Parnell ist tot,
    Doch unvergessen bleibt Parnell!
    Mr Hynes setzte sich wieder. Als er seinen Vortrag beendet hatte, herrschte Schweigen, und dann wurde heftig geklatscht: Sogar Mr Lyons klatschte. Der Applaus hielt eine kleine Weile an. Als er vorbei war, tranken die Zuhörer schweigend aus ihren Flaschen.
    Pock! Der Korken flog aus Mr Hynes’ Flasche, aber Mr Hynes blieb am Tisch sitzen, mit gerötetem Gesicht und barhäuptig. Er schien die Einladung überhört zu haben.
    – Gut gemacht, Joe!, sagte Mr O’Connor und holte sein Zigarettenpapier und den Tabaksbeutel hervor, um seine Rührung besser zu verbergen.
    – Wie fandest du das, Crofton?, rief Mr Henchy. Ist das nicht gut? Was?
    Mr Crofton erwiderte, es sei sehr gut geschrieben.

E INE M UTTER
    Mr Holohan * , zweiter Vorsitzender der Eire-Abu - Gesellschaft * , war fast einen Monat lang kreuz und quer durch Dublin gelaufen, die Hände und Taschen voll von schmierigen Zetteln, um die Konzertreihe

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