Dubliner (German Edition)
vorzubereiten. Er hatte ein steifes Bein, weshalb ihn seine Freunde Hoppy Holohan nannten. Er war ständig unterwegs, stand oft stundenlang in Diskussionen vertieft an Straßenecken und machte sich Notizen; aber letzten Endes war es Mrs Kearney, die alles organisierte.
Miss Devlin war aus Trotz Mrs Kearney geworden. Sie war in einer vornehmen Nonnenschule erzogen worden, wo sie Unterricht in Französisch und Musik erhielt. Da sie von Natur aus blass und von unnachgiebigem Wesen war, hatte sie in der Schule nicht viele Freundinnen gefunden. Als sie ins heiratsfähige Alter kam, wurde sie in viele Häuser geschickt, wo man ihr Spiel und ihre elfenbeinernen Manieren sehr bewunderte. So saß sie im frostigen Kreis ihrer Fertigkeiten und wartete darauf, dass sich irgendein Verehrer ein Herz fasste und ihr ein wundervolles Leben anbot. Die jungen Männer, denen sie begegnete, waren jedoch nur Durchschnitt, sodass sie sie nicht ermutigte, und um sich über ihre romantischen Sehnsüchte hinwegzutrösten, verzehrte sie heimlich große Mengen Türkischen Honig. Aber als es schon fast zu spät war und ihre Freundinnen anfingen, ihre Schnäbel an ihr zu wetzen, brachte sie sie zum Verstummen, indem sieMr Kearney heiratete, der am Ormond Quay ein Schuhmachergeschäft hatte.
Er war viel älter als sie. Seine Konversation war von ernster Natur und fand in Abständen in seinem großen braunen Bart statt. Nach dem ersten Jahr ihrer Ehe war Mrs Kearney klar, dass ein solcher Mann sich länger halten würde als ein romantischer, aber von ihren romantischen Träumen ließ sie nie ab. Er war nüchtern, sparsam und fromm; an jedem ersten Freitag im Monat * ging er zur Kommunion, manchmal mit ihr, häufiger allein. Aber sie wankte nie in ihrem Glauben und war ihm eine gute Frau. Wenn sie in einem fremden Haus eingeladen waren, brauchte sie nur ganz leicht die Stirn zu runzeln, und schon stand er auf, um sich zu verabschieden, und wenn ihn sein Husten plagte, breitete sie die Daunendecke über seine Beine und machte ihm einen starken Punsch mit Rum. Er war seinerseits ein vorbildlicher Vater. Jeden Monat zahlte er einen kleinen Betrag in eine Versicherung ein, sodass beide Töchter einmal eine Mitgift von hundert Pfund erhalten würden, wenn sie vierundzwanzig waren. Er schickte die älteste Tochter, Kathleen, auf eine gute Nonnenschule, wo sie in Französisch und Musik unterrichtet wurde, und später zahlte er ihre Studiengebühren an der Musikakademie. Jedes Jahr im Juli fand sich für Mrs Kearney eine Gelegenheit, um zu einer Bekannten zu sagen:
– Mein lieber Mann schickt uns für ein paar Wochen nach Skerries.
Wenn es nicht Skerries war, dann war es Howth oder Greystones * .
Als das Irish Revival * sich bemerkbar machte, beschloss Mrs Kearney, sich den Namen ihrer Tochter * zunutze zu machen, und holte einen Irischlehrer ins Haus. Kathleen und ihre Schwester schickten ihren Freunden nun Postkarten mit irischen Motiven, und die Freunde schickten ihnenPostkarten mit irischen Motiven zurück. An bestimmten Sonntagen besuchte Mr Kearney mit seiner Familie die Pro-Kathedrale * , und nach der Messe versammelte sich dort eine kleine Menschenmenge an der Ecke zur Cathedral Street. Es waren alles Freunde der Kearneys – Musikliebhaber oder Nationalisten; und wenn sie die letzte kleine Neuigkeit ausgetauscht hatten, schüttelten sie einander die Hände, lachten, wenn sich so viele Hände dabei überkreuzten, und verabschiedeten sich voneinander auf Irisch * . Bald hörte man den Namen Miss Kathleen Kearney häufiger nennen. Die Leute sagten, sie sei sehr musikalisch und ein sehr nettes Mädchen, und außerdem trete sie für die Wiederbelebung des Irischen ein. Mrs Kearney empfand darüber große Befriedigung. Es überraschte sie deshalb nicht, als Mr Holohan eines Tages zu ihr kam und vorschlug, ihre Tochter solle bei vier großen Konzerten, die seine Gesellschaft in den Antient Concert Rooms * veranstalten wolle, die Klavierbegleitung übernehmen. Sie bat ihn in den Salon, bot ihm einen Stuhl an und holte die Karaffe und die silberne Gebäckdose. Sie nahm sich des Vorhabens mit ganzem Herzen an, riet hier zu und dort ab; und schließlich wurde ein Vertrag aufgesetzt, dem zufolge Kathleen für ihre Klavierbegleitung bei den vier großen Konzerten acht Guineen * erhalten sollte.
Mr Holohan war in so heiklen Dingen wie dem Verfassen von Handzetteln und der Zusammenstellung von Programmen ein Neuling, und darum half ihm Mrs Kearney. Sie
Weitere Kostenlose Bücher