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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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alten Herrn und lief immer im Kreis, um den Mühlstein zu drehen. So weit, so gut, aber nun kommt der tragische Teil. Eines schönen Tages beschloss der alte Herr, hinauszufahren wie die feinen Leute zu einer Militärparade im Park.
    – Gott hab ihn selig, sagte Tante Kate mitfühlend.
    – Amen, sagte Gabriel. Also, wie gesagt, der alte Herr spannte Johnny an, nahm seinen besten Zylinder und legte seinen besten Vatermörder um und fuhr im großen Stil los, vom Herrensitz seiner Ahnen irgendwo in der Gegend der Back Lane, glaube ich.
    Alle, sogar Mrs Malins, mussten über die Art, wie Gabriel das erzählte, lachen, aber Tante Kate sagte:
    – Langsam, Gabriel! In der Back Lane hat er nicht wirklich gewohnt. Dort war nur seine Mühle.
    – Vom Herrensitz seiner Ahnen aus, fuhr Gabriel fort, machte er sich also mit Johnny auf den Weg. Und alles ging bestens, bis Johnny das Standbild von König Billy * erblickte. Ob er sich nun in das Pferd, auf dem König Billy sitzt, verliebte oder ob er dachte, er sei wieder zu Hause in der Mühle, auf jeden Fall fing er an, im Kreis um das Standbild zu laufen.
    Gabriel drehte in seinen Galoschen eine Runde durch die große Diele, begleitet vom Gelächter der anderen.
    – Rundherum im Kreis ging er, sagte Gabriel, und der alte Gentleman, der ein sehr auf seine Würde bedachter alter Gentleman war, wurde höchst ungehalten. Weiter, voran, Sir!! Was soll das denn heißen, Sir!! Johnny! Johnny! Höchst ungewöhnliches Verhalten! Ich versteh das Pferd nicht!
    Das schallende Gelächter, das Gabriels pantomimische Darstellung des Vorfalls hervorrief, wurde von einem lauten Pochen an der Haustür unterbrochen. Mary Jane lief hin, um zu öffnen, und ließ Freddy Malins herein. Freddy Malins, den Hut weit zurückgeschoben und die Schultern vor Kälte hochgezogen, keuchte und dampfte vor Anstrengung.
    – Ich konnte nur eine Droschke auftreiben, sagte er.
    – Ach, wir finden schon irgendwo am Quay noch eine, sagte Gabriel.
    – Ja, sagte Tante Kate. Wir sollten Mrs Malins lieber nicht hier im Luftzug stehen lassen.
    Ihr Sohn und Mr Browne halfen Mrs Malins die Stufen vorm Haus hinunter, und nach vielen Manövern wurde sie in die Droschke gehoben. Freddy Malins kletterte ihr hinterher und brauchte viel Zeit, um es ihr auf ihrem Sitz bequem zu machen, wobei Mr Browne ihm mit Ratschlägen behilflich war. Endlich saß sie bequem, und Freddy Malins bot Mr Browne an, zu ihnen in die Droschke zu steigen. Es gab ein langes Hin- und Hergerede, aber am Ende stieg Mr Browne ein. Der Kutscher zog die Decke über seinen Knien zurecht und beugte sich vor, um nach der Adresse zu fragen. Das Durcheinander wurde nun noch größer, als Freddy Malins und Mr Browne ihre Köpfe aus dem Droschkenfenster streckten und dem Fahrer verschiedene Angaben machten. Die Schwierigkeit bestand darin zu entscheiden, an welchem Punkt Mr Brown unterwegs abgesetzt werden sollte, und Tante Kate, Tante Julia und Mary Jane halfen bei der Diskussion von der Haustür aus mit ganz unterschiedlichen und widersprüchlichen Anweisungenund mit viel Gelächter. Freddy Malins selbst konnte vor Lachen gar nichts mehr sagen. Alle paar Augenblicke erschien sein Kopf im Droschkenfenster, womit er seinen Hut in große Gefahr brachte, und berichtete dann seiner Mutter über den Fortgang der Debatte, bis Mr Browne zu guter Letzt das allgemeine Lachen übertönte und dem verwirrten Fahrer zubrüllte:
    – Wissen Sie, wo Trinity College ist? *
    – Jawohl, Sir, sagte der Droschkenkutscher.
    – Dann fahren Sie jetzt schnurstracks zum Portal des Trinity College, sagte Mr Browne, und dort sagen wir Ihnen, wie’s weitergeht. Haben Sie jetzt verstanden?
    – Ja, Sir, sagte der Kutscher.
    – Fahren Sie wie der Wind zum Trinity College.
    – Mach ich, Sir!, rief der Kutscher.
    Ein Peitschenknall setzte das Pferd in Trab, und die Droschke ratterte am Quay entlang davon, gefolgt von einem Chor von Abschiedsrufen und Gelächter.
    Gabriel war den anderen nicht an die Tür gefolgt. Er stand in einem dunklen Teil der großen Diele und sah hinauf ins Treppenhaus. Eine Frau stand dort nahe dem ersten Absatz, auch sie im Schatten. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber er sah die terracotta- und lachsfarbenen Bahnen ihres Rocks, die im Halbdunkel schwarz und weiß erschienen. Es war seine Frau. Sie lehnte am Geländer und lauschte auf etwas. Gabriel war verwundert darüber, wie still sie dastand, und lauschte auch angestrengt. Er konnte aber nicht viel mehr

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