Duddits - Dreamcatcher
Scheißerei bekam.
War Mr. Gray ein wenig frustriert? Oder bildete sich Jonesy das nur ein? Das wollte Jonesy doch nicht hoffen.
Das hatte echt gesessen … das war, wie die vier in ihrer vergeudeten Jugend zweifellos gesagt hätten, »ein echter Brüller«.
9
Roberta Cavell erwachte aus einem unangenehmen Traum, schaute nach rechts und rechnete schon halbwegs damit, dort nur Dunkelheit zu sehen. Doch die tröstlichen blauen Ziffern leuchteten noch auf dem Wecker neben ihrem Bett, dann war der Strom also nicht ausgefallen. Wenn man bedachte, wie der Wind heulte, war das erstaunlich.
1:04 Uhr, sagten die blauen Ziffern. Roberta knipste die Nachttischlampe an – solange sie noch funktionierte, konnte sie sie schließlich auch nutzen – und trank etwas Wasser aus ihrem Glas. Hatte der Wind sie aufgeweckt? Der böse Traum? Es war wirklich ein schlimmer Traum gewesen, irgendwas mit Außerirdischen und Todesstrahlen, und alle waren davongelaufen, aber sie glaubte nicht, dass sie davon wach geworden war.
Dann ebbte der Wind ab, und da hörte sie, was sie geweckt hatte: Duddits’ Stimme von unten. Duddits … sang? War das möglich? Sie hielt es nicht für möglich, wenn sie bedachte, was für einen schrecklichen Nachmittag und Abend die beiden hinter sich hatten.
»Iehr-od!«, fast ununterbrochen, von zwei bis fünf Uhr – Biber ist tot! Duddits war untröstlich gewesen und hatte schließlich Nasenbluten bekommen. Das hatte sie befürchtet. Wenn Duddits erst einmal blutete, ließ sich die Blutung manchmal erst im Krankenhaus stillen. Diesmal war es ihr jedoch gelungen, die Blutung zu stillen, indem sie ihm Wattebäusche in die Nasenlöcher gestopft und seine Nase dann oben, zwischen den Augen, zugedrückt hatte. Sie hatte Dr. Briscoe angerufen und ihn fragen wollen, ob sie Duddits eine dieser gelben Valium-Tabletten geben dürfe, aber Dr. Briscoe war nach Nassau verreist, soso. Irgendein anderer Arzt hatte Notdienst, irgend so ein Weißkittel-Johnny, der Duddits nie im Leben gesehen hatte, und Roberta rief ihn gar nicht erst an. Sie gab Duddits einfach das Valium und bestrich dann seine armen trockenen Lippen und seine Mundhöhle mit den Glyzerin-Tupfern mit Zitronengeschmack, die er so mochte – er bekam immer Geschwüre im Mund. Das blieb auch so, nachdem die Chemotherapie abgeschlossen war. Und sie war abgeschlossen. Keiner der Ärzte – weder Briscoe noch ein anderer – gab das zu, und deshalb blieb der Katheter drin, aber die Chemotherapie war vorbei. Roberta würde nicht zulassen, dass sie ihren Sohn noch einmal durch diese Hölle schleiften.
Nachdem er seine Tablette genommen hatte, legte sie sich zu ihm ins Bett, hielt ihn im Arm (achtete dabei darauf, seine linke Seite nicht zu berühren, wo der Katheter unter einem Verband verborgen war) und sang ihm etwas vor. Aber nicht Bibers Wiegenlied, nein, heute nicht.
Irgendwann beruhigte er sich dann allmählich, und als sie dachte, er wäre eingeschlafen, zog sie ihm vorsichtig die Wattebäusche aus der Nase. Der zweite hing etwas fest, und Duddits schlug die Augen auf – diese schönen, strahlenden grünen Augen. Seine Augen waren eine wahre Gottesgabe, dachte sie manchmal, und nicht das andere da … dass er die Linie sah und alles, was damit zusammenhing.
»Amma?«
»Ja, Duddie?«
»Iehr in Himmn?«
Große Trauer überkam sie, auch beim Gedanken an Bibers lächerliche Lederjacke, die er so geliebt und getragen hatte, bis sie in Fetzen gehangen hatte. Wäre es um jemand andres gegangen, um irgendjemand und nicht um seine vier Kindheitsfreunde, dann hätte sie an Duddits’ böser Vorahnung gezweifelt. Aber wenn Duddits sagte, Biber sei tot, dann stimmte das höchstwahrscheinlich.
»Ja, Schatz, er ist ganz bestimmt im Himmel. Schlaf jetzt.«
Für eine ganze Weile schauten diese grünen Augen sie noch an, und sie dachte schon, er würde wieder anfangen zu weinen. Und tatsächlich kullerte auch eine Träne, eine große runde Träne seine stoppelige Wange hinab. Das Rasieren fiel ihm jetzt so schwer, manchmal hinterließ auch der Elektrorasierer kleine Schnitte, die dann stundenlang bluteten. Doch schließlich machte er die Augen zu, und sie schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer.
Nach Sonnenuntergang, als sie ihm eben Haferbrei machte (nur die fadesten Speisen erbrach er jetzt nicht gleich wieder, auch ein Anzeichen, dass es zu Ende ging), ging der ganze Albtraum von vorn los. Ohnehin durch die immer seltsameren Nachrichten aus Jefferson Tract
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