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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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oberen und unteren Heuboden warfen. Sie hatten auch einige Heizgeräte aufgestellt, und im ganzen Stall herrschte eine benommen machende Wärme. Henry machte sich sofort die Jacke auf, als er drinnen war, und trotzdem spürte er auf seinem Gesicht Schweiß ausbrechen. Das lag vermutlich auch an Owens Pillen; er hatte vor dem Stall noch eine genommen.
    Beim ersten Eindruck ähnelte es hier sehr den diversen Flüchtlingslagern, die er schon gesehen hatte: bosnische Serben in Mazedonien, haitianische Rebellen, nachdem die Marineinfanterie des Zuckeronkels Sam in Portau-Prince gelandet war, oder afrikanische Flüchtlinge, die ihr Heimatland verlassen hatten, weil dort Seuchen, Hunger, Bürgerkrieg oder all das zusammen herrschten. Man gewöhnte sich daran, so etwas in den Fernsehnachrichten zu sehen, und die Bilder stammten immer von weit her; das Entsetzen, mit dem man sie sah, hatte etwas Klinisches. Aber das hier war kein Ort, den man nur mit Reisepass besuchen konnte. Das hier war ein Kuhstall in Neuengland. Die Menschen hier drin trugen keine Lumpen oder schmutzigen Dashikis, sondern Parkas von Bean’s, Cargohosen (wie geschaffen für Reserve-Schrotpatronen) von Banana Republic und Unterwäsche von Fruit of the Loom. Doch trotzdem sah es so ähnlich aus. Der einzige Unterschied, den er bemerkte, bestand darin, dass sie alle immer noch verblüfft wirkten. So etwas war im Lande der kostenlosen Ortsgespräche einfach nicht vorgesehen.
    Die Internierten bedeckten fast den gesamten Boden, auf dem man Heu ausgebreitet hatte (und darauf Jacken). Familien schliefen beieinander, andere lagen in kleinen Gruppen zusammen. Auf den Heuböden hielten sich weitere auf und auch je drei oder vier in den vierzig Boxen. Im ganzen Stall hörte man das Schnarchen und Grunzen von Menschen, die schlecht träumten. Irgendwo weinte ein Kind. Und es gab Musikberieselung – und das war für Henry nun wirklich das Bizarrste. Die dem Tode geweihten Schläfer lauschten im Stall des alten Gosselin dem Fred Waring Orchestra und seiner Geigenversion von Some Enchanted Evening.
    In seiner jetzigen Höchstform sah Henry alles ganz berauschend klar und deutlich. All die orangefarbenen Jacken und Mützen!, dachte er. Mann, ey! Halloween in der Hölle!
    Und auch das rotgoldene Zeug war reichlich vorhanden. Henry sah es auf Wangen, in Ohren und zwischen Fingern wachsen; es wuchs auch an einigen Balken und an den Kabeln der aufgehängten Scheinwerfer. Vorherrschend roch es hier nach Heu, aber Henry nahm ohne Schwierigkeiten auch den leicht schweflig angehauchten Geruch von Äthylalkohol wahr. Neben dem Schnarchen wurde nicht minder gefurzt – es klang, als würden sechs oder sieben vollkommen unbegabte Musiker auf Tuben und Saxofonen vor sich hin tröten. Unter anderen Umständen wäre das amüsant gewesen … war es vielleicht auch sogar unter diesen: für jemand, der nicht gesehen hatte, wie sich dieses fauchende Wieselwesen auf Jonesys blutgetränktem Bett gewunden hatte.
    Wie viele von ihnen brüten wohl so etwas aus?, fragte sich Henry. Es spielte keine Rolle, dachte er, denn letztlich waren die Wiesel harmlos. Sie mochten vielleicht außerhalb ihrer Wirte in diesem Stall lebensfähig sein, aber draußen im Schneesturm, wo der Windchillfaktor bestimmt bei minus zwanzig Grad lag, hatten sie keine Chance.
    Er musste zu diesen Menschen sprechen –
    Nein, nicht nur das. Er musste ihnen eine Heidenangst einjagen. Musste sie zum Aufbruch antreiben, obwohl es hier drin so warm und da draußen so kalt war. Früher hatten hier Milchkühe gestanden; jetzt lag hier willfähriges Schlachtvieh. Er musste sie wieder in Menschen verwandeln – in verängstigte, wütende Menschen. Er konnte es schaffen, aber nicht allein. Und die Uhr lief. Owen Underhill hatte ihm eine halbe Stunde gegeben. Henry schätzte, dass sie zu einem Drittel bereits verstrichen war.
    Ich brauche ein Megafon, dachte er. Das wäre Schritt Nummer eins.
    Er schaute sich um, entdeckte einen stämmigen Kerl mit schütterem Haar, der links neben dem Eingang der Melkstationen schlief, und ging hinüber, um ihn sich genauer anzusehen. Er dachte, es wäre einer der Typen, die er aus dem Schuppen vertrieben hatte, war sich da aber nicht ganz sicher. Bei diesen Jägern hier gab es stämmige Kerle mit schütterem Haar wie Sand am Meer.
    Aber es war tatsächlich Charles, und der Byrus überwucherte das, was der alte Charlie zweifellos als seinen »Solar-Sexus« bezeichnete. Wer braucht schon

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