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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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jetzt das Essen stand. Wieder fiel Jonesy die merkwürdige Unbeholfenheit des Mannes auf – er fühlte sich ein wenig an sich selbst im vergangenen Frühjahr erinnert, als er wieder gehen lernen musste. Er schaute sich den Fleck auf der Wange des Mannes etwas genauer an und wünschte fast, er hätte es gelassen. Das war keine Erfrierung. Es sah eher nach Hautkrebs aus oder wie ein Feuermal, aus dem Haarstoppeln wuchsen.
    »He, immer langsam mit den jungen Pferden«, sagte der Biber und machte einen Satz nach vorn. Er packte McCarthys Hand und schüttelte sie wie wild, bis Jonesy schon dachte, McCarthy würde doch noch auf dem Couchtisch landen. Er war erleichtert, als der Biber – einen Meter siebenundsiebzig groß und immer noch mit schmelzenden Schneeflocken in der schwarzen Hippiemähne – endlich losließ. Der Biber lächelte immer noch, strahlte jetzt übers ganze Gesicht. Mit dem schulterlangen Haar und der dicken Brille sah er aus wie ein Mathegenie oder ein Serienmörder. In Wirklichkeit war er Tischler.
    »Rick hat ziemlich was durchgemacht«, sagte Jonesy. »Er hat sich gestern verlaufen und die ganze Nacht im Wald verbracht.«
    Biber lächelte weiter, aber jetzt wirkte sein Lächeln eher besorgt. Jonesy ahnte schon, was jetzt kommen würde, und hoffte, der Biber würde es nicht sagen – er schätzte McCarthy als ziemlich religiösen Menschen ein, dem solche Unflätigkeiten nicht behagen würden –, aber wer Biber den Mund verbieten wollte, hätte natürlich auch gleich versuchen können, den Wind zu bändigen.
    »Ach du dicke Fotze!«, kreischte er. »Das ist ja unglaublich! Setz dich! Iss was! Du auch, Jonesy.«
    »Ach nee«, sagte Jonesy. »Iss du das mal. Du kommst doch gerade aus dem Schnee herein.«
    »Meinst du?«
    »Ja. Ich mach mir Rührei. Rick kann dir seine Geschichte erzählen.« Vielleicht wirst du daraus ja eher schlau als ich, dachte er.
    »Also gut.« Biber zog sich Mantel (rot) und Weste (natürlich orangefarben) aus. Er wollte beides eben auf den Holzhaufen werfen, als ihm etwas einfiel. »Warte mal, ich hab da was für dich.« Er vergrub eine Hand in einer Tasche seiner Daunenjacke, wühlte darin herum und kam schließlich mit einem Taschenbuch zum Vorschein, das zwar ziemlich verknickt war, sonst aber unversehrt schien. Vorn auf dem Titel tanzten kleine Teufel mit Dreizacken – Der graue Mann von Robert B. Parker. Es war der Krimi, den Jonesy auf dem Hochsitz gelesen hatte.
    Der Biber hielt ihm das Buch mit einem Lächeln hin. »Deinen Schlafsack habe ich liegen lassen. Ich dachte mir, du kannst heute Nacht sowieso nicht schlafen, wenn du nicht weißt, wer der Mörder war.«
    »Du hättest da nicht raufklettern sollen«, sagte Jonesy, war aber so gerührt, wie nur Biber das bei ihm fertigbrachte. Der Biber war durch das Schneegestöber heimgekehrt und hatte nicht mit Sicherheit feststellen können, ob Jonesy auf seinem Hochsitz war oder nicht. Er hätte rufen können, aber zu rufen reichte dem Biber nicht, er glaubte nur, was er auch sah.
    »Keine Ursache«, sagte Biber und setzte sich zu McCarthy, der ihn anschaute, als wäre er ein bisher unbekanntes, recht exotisches Kleintier.
    »Danke«, sagte Jonesy. »So kommst du doch noch zu deinem Sandwich. Ich mache mir Eier.« Er wollte gehen und drehte sich dann noch einmal um. »Was ist mit Pete und Henry? Meinst du, die schaffen es zurück?«
    Der Biber machte den Mund auf, aber ehe er antworten konnte, blies der Wind wieder unter den Dachvorsprung, ließ es in den Wänden knarzen und pfiff grimmig ums Haus.
    »Ach was, das ist nur eine Mütze voll Schnee«, sagte Biber, als die Böe vorbeigezogen war. »Die kommen schon wieder. Aber ob wir hier wegkommen, wenn wir einen richtigen Nordsturm kriegen – das ist natürlich ’ne andere Frage.« Er fing an, das Käsesandwich zu verschlingen. Jonesy ging in die Küche, um sich Rührei zu machen und noch eine Dose Suppe aufzusetzen. Nun, da der Biber da war, war ihm etwas wohler mit McCarthy. Ja, eigentlich war ihm immer wohler, wenn der Biber da war. Schon verrückt. Aber nicht zu leugnen.

4
    Als das Rührei fertig und die Suppe aufgewärmt war, plauderte McCarthy längst mit dem Biber, als wären sie seit zehn Jahren die dicksten Freunde. Falls sich McCarthy an Bibers Litanei größtenteils lustiger Lästerlichkeiten störte, machte Bibers beträchtlicher Charme das mehr als wett. »Da gibt’s nichts zu erklären«, hatte Henry mal zu Jonesy gesagt. »Er ist einfach ein Wuschel –

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