Duddits - Dreamcatcher
glühend heißen, schrecklichen Krämpfen von seinem Knie auf.
Er lag zitternd auf der Straße, die Plastiktüte neben sich. DANKE, DASS SIE BEI UNS EINGEKAUFT HABEN! stand darauf. Pete langte hinein und wollte sehen, ob vielleicht ein oder zwei Flaschen darin nicht zerbrochen waren, und als er sein Bein verlagerte, schossen ihm Todesqualen vom Knie durch den ganzen Körper. Verglichen damit waren die Schmerzen bisher nur ein leichtes Stechen gewesen. Pete schrie wieder auf und fiel in Ohnmacht.
2
Als er wieder zu sich kam, wusste er nicht, wie lange er weggetreten war – dem Licht nach nicht sehr lange, aber seine Füße waren gefühllos vor Kälte und seine Hände, trotz der Handschuhe, auch schon fast.
Pete lag auf der Seite, die Biertüte als eben zufrierende bernsteingelbe Pfütze neben sich. Der Schmerz in seinem Knie hatte ein wenig nachgelassen – wahrscheinlich wurde es auch schon vor Kälte gefühllos –, und ihm fiel auf, dass er wieder klar denken konnte. Das war gut, denn das war ja nun wirklich eine absolute Scheißsituation, in die er sich hier gebracht hatte. Er musste zurück zu dem Unterstand und dem Feuer, und das musste er allein schaffen. Wenn er einfach hier liegen blieb und darauf wartete, dass Henry mit dem Schneemobil wiederkam, konnte er damit rechnen, Tiefkühlpete zu sein, wenn Henry dann kam – Tiefkühlpete mit einer Tüte voll geplatzter Bierflaschen neben sich, danke, dass Sie bei uns eingekauft haben, du beschissener Alki, herzlichen Dank auch. Und dann musste er auch noch an die Frau denken. Auch sie würde vielleicht sterben, und das nur, weil Pete Moore ja so dringend ein paar Bier hatte zischen müssen.
Er betrachtete die Tüte mit Widerwillen. Er konnte sie nicht in den Wald werfen; er konnte es nicht riskieren, sein Knie wieder aufzuwecken. Also schob er Schnee darüber, so wie ein Hund seinen Kot verscharrt, und krabbelte dann los.
Das Knie war anscheinend doch nicht so steif gefroren. Pete kroch mit den Ellbogen voran und stieß sich mit seinem gesunden Fuß ab. Er biss die Zähne zusammen, und das Haar hing ihm in die Augen. Keine Tiere mehr; der Exodus war vorbei, und er war ganz allein – nur seine keuchenden Atemzüge und das gedämpfte, schmerzerfüllte Stöhnen, wenn er mit seinem Knie irgendwo anstieß, waren zu hören. Er spürte den Schweiß über seine Arme und seinen Rücken laufen, aber seine Füße blieben gefühllos und seine Hände auch.
Er hätte vielleicht aufgegeben, aber auf der Hälfte des geraden Stücks erblickte er das Feuer, das er mit Henry entfacht hatte. Es war schon ziemlich heruntergebrannt, brannte aber immerhin noch. Pete kroch darauf zu, und jedes Mal, wenn er sich das Bein stieß und der Schmerz ihn durchfuhr, versuchte er ihn in die orangefarbenen Funken des Feuers zu projizieren. Dorthin wollte er. Es tat wirklich höllisch weh, sich zu bewegen, aber wie gern wollte er dorthin. Er wollte nicht hier im Schnee erfrieren.
»Ich schaff das schon, Becky«, murmelte er. »Ich schaff das schon, Becky.« Er sprach ihren Namen ein halbes Dutzend Mal aus, bis er merkte, dass er ihn kannte.
Während er so dem Feuer allmählich näher kam, hielt er kurz inne, schaute auf seine Armbanduhr und runzelte die Stirn. Laut seiner Uhr war es 11.40 Uhr, und das konnte nicht sein – er erinnerte sich, auf die Uhr gesehen zu haben, bevor er zum Scout aufgebrochen war, und da war es zwanzig nach zwölf gewesen. Ein zweiter Blick klärte die Ursache der Verwirrung: Seine Uhr lief rückwärts, der Sekundenzeiger drehte sich unregelmäßig zuckend gegen den Uhrzeigersinn. Pete sah sich das nicht sonderlich erstaunt an. Ihm war die Fähigkeit abhandengekommen, sich noch über irgendwas zu wundern. Nicht einmal seinem Bein galt mehr seine Hauptsorge. Ihm war sehr kalt, und heftige Schauer überliefen ihn, während er sich mit den Ellbogen vorankämpfte und sich mit seinem zusehends ermüdenden gesunden Bein abstieß und so die letzten fünfzig Meter zu dem erlöschenden Feuer zurücklegte.
Die Frau saß nicht mehr auf der Plane. Sie lag nun auf der anderen Seite des Feuers, als wäre sie zum Feuerholz gekrochen und dort zusammengebrochen.
»Hallo, Schatz, ich bin wieder da«, keuchte er. »Mein Knie hat ziemliche Zicken gemacht, aber jetzt bin ich wieder da. Das mit dem Scheißknie ist sowieso deine Schuld, Becky, also beschwer dich nicht, ja? Becky – so heißt du doch, oder?«
Vielleicht schon, aber sie antwortete nicht. Lag einfach nur glotzend da.
Weitere Kostenlose Bücher