Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
es wert, sich näher mit ihm zu befassen. Ich band die Kordel zu, die das Hemd über meiner Leibesmitte raffte. Der Brief verband ihn mit Jana; das hastige Treffen in der Trinkstube mit Rudolf Gutswalter; und Gutswalter selbst verband sich mit allem, was ich bisher zur Rettung Janas unternommen hatte. Die Frage war nur: Wie sah die Verbindung aus, und wozu hatte Gutswalter mehrfach versucht, mir zu helfen, wo Velluti nur voller Schrecken zurückgezuckt war?
Gutswalter war der Kompagnon Pratinis; Pratini wiederum war Janas Geschäftskonkurrent und wahrscheinlich – seit dem Vorfall in Venedig – auch ihr Feind. Beatrice konnte vorbringen, was sie wollte: Ich hegte den Verdacht, dass er Jana und Cerchi nicht umsonst zusammengebracht hatte und dass sein Motiv vor allem gewesen war, Jana in Misskredit zu bringen. Velluti, der durch die Kontaktaufnahme Janas ebenfalls in die Gefahr geraten war, zum Kreis der Verschwörer gezählt zu werden, wandte sich an Gutswalter und bat ihn um Hilfe. Warum gerade ihn? Was verband die beiden Männer – wenn Velluti nicht derjenige war, der Gutswalter damals aus dem Schuldgefängnis geholt hatte? Gutswalter hatte ausgesagt, sein Gönner sei mittlerweile verstorben; aber er musste ja nicht die Wahrheit gesagt haben. Mischte sich Gutswalter in meine Angelegenheiten ein, um herauszufinden, wieweit sein Freund wirklich in Gefahr war? Doch er hatte den Kontakt zu mir gesucht, noch bevor ich bei Velluti gewesen war. Hätte ich gewusst, dass er der Partner des Mannes war, den Jana in Venedig gedemütigt und über den Tisch gezogen hatte, wäre ich vor seiner Hilfe so weit davongelaufen, wie ich konnte. Und dennoch – nur seinetwegen war ich im Gefängnis nicht in die Hände der Behörden gefallen.
- Vergiss auch nicht den Mann, der dich verfolgt hat.
Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Ich schlüpfte in eines der von der langen Reise abgestoßenen und an den Knien ausgebeulten Hosenpaare. Ich dachte daran, wie fein sich die Florentiner am Tag der unseligen Ostermesse herausgeputzt hatten und dass die Gäste von Antonio Pratini dies wahrscheinlich auch tun würden. Es mochte besser sein, wieder zu verschwinden, noch bevor der Erste von ihnen eintraf.
Wusste ich, worauf ich mich einließ? Wenn Pratini der war, als der er schien, war er im Stande, mich von seiner Dienerschar einfach festhalten zu lassen und mich dann an die Behörden zu übergeben. Wenn er der war, als den ich ihn einschätzte, würde er jedoch versuchen, mit mir zu spielen – und mich der signoria auszuliefern hätte das Spiel schnell beendet. Ich war kein guter und auch kein begeisterter Spieler, besonders nicht, wenn es um das Schicksal Janas ging; doch ich sah keine andere Möglichkeit, als mich darauf einzulassen, wenn ich etwas herausfinden wollte. Wie hatte Pratini vor dem Dom zu mir gesagt? Die Vor- und Nachteile sind hier so verteilt, dass Ihr sie nicht einmal ansatzweise versteht. Ich hatte das Gefühl, dass ich nur zu gut verstand: Die Nachteile befanden sich alle auf meiner Seite.
Und bei allem stellte sich die Frage: Was, wenn Kleinschmidt und Tredittore Recht hatten und ich nur einer verrückten Idee hinterherrannte? Was, wenn Jana ganz einfach die Briefe so geschrieben hatte, wie sie jetzt an der Schandtafel in der Festung des capitano del popolo hingen?
Ich glaubte, Ferdinand Boehl zu hören, wie er sich seines reichen Sprücheschatzes bediente und zu mir sagte: Ihr kommt mir vor wie jemand, der die Nägel aufklaubt und das Hufeisen dabei verliert.
3.
D
as Haus lag so, wie Beatrice es beschrieben hatte. Pratinis palazzo besaß nicht die spielerisch-wuchtige Eleganz des Hauses von Bernardo Rucellai oder auch nur von Piero Vespucci; er glich eher dem nüchternen Festungsbau des Bargello und war in seiner Umgebung aus Handwerkerläden und schmalbrüstigen Wohnhäusern ebenso fehl am Platz wie das Bankhaus im Tuchfärberviertel. Offensichtlich blickte auch Pratini auf bescheidenere Anfänge zurück und hatte wie fast jeder Florentiner nie eine Notwendigkeit gesehen, diesen Niederungen durch einen Wegzug in vornehmere Viertel zu entkommen. Der Stein war dunkel, fast umbrafarben, und das zweiflüglige Tor war mit spitzkantigen Eisennägeln dicht an dicht beschlagen.
Ein Mann vom Vermögen und Einfluss Antonio Pratinis besaß mit Sicherheit eine ganze Reihe von verpachteten Weingütern und Bauernhöfen, die ihn mit allem belieferten, was das Land hergab. Dementsprechend musste sein Keller
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