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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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Bäumchen standen die Arbeiten von Bildhauern in jeglichem Stadium der Fertigstellung herum. Die Figuren sahen aus, als warteten sie auf die Rückkehr ihrer Erschaffer, die jeden Moment erfolgen musste. Am jenseitigen Ende des Gartens, wo sich keine Arkaden befanden, lehnte sich ein Schuppen an die Mauer, dessen vordere Wand fehlte. Dort standen Töpferscheiben und kleine Pulte, auf denen man Wachsfiguren formen konnte. Über einigen Hockern lagen Lederschürzen; verschlossene Truhen enthielten vermutlich die Hammer und Meißel und das sonstige Werkzeug der Bildhauer.
    »Ist das Eure Bildhauer-Werkstätte?«, fragte ich.
    »So ist es. Und ich bin stolz darauf.«
    »Sehr schön.«
    Er drehte sich um und musterte mich ungnädig. »Ist das alles, was Ihr dazu sagt? ›Sehr schön.‹ Ihr seid wie meine Gattin und meine Tochter. Sie halten meinen Garten für eine Verrücktheit und schwärmen gleichzeitig für die Freigebigkeit, mit der ein Lorenzo de’ Medici seinen eigenen Garten unterhält.«
    »Bedaure, wenn ich klinge wie Eure Gemahlin«, sagte ich bissiger als beabsichtigt, »aber ich habe im Augenblick andere Sorgen.«
    »Eure Sorgen und meine sind sich gar nicht so unähnlich.«
    Ich starrte ihn überrascht an. »Wie meint Ihr das?«
    Er dachte einen winzigen Moment nach. »Ich sorge mich, was aus dieser Werkstätte wird, wenn ich sie nicht am Leben erhalte. Ihr sorgt Euch darum, was mit Eurer Gefährtin wird, wenn Ihr sie nicht unterstützen könnt.«
    »Ihr habt die Unwägbarkeiten falsch platziert«, stieß ich hervor. »Das mit dem ›Am-Leben-Erhalten‹ passt besser auf Janas und meine Situation.«
    Er zuckte mit den Schultern und sah wieder in den Garten hinab. Als eine Gruppe von drei Gestalten direkt unter uns aus einem Tor in den Garten trat, beugte er sich nach vorn. Ein Mann führte zwei Knaben herein. Die drei strebten, ohne sich umzusehen, zu dem Schuppen und tauchten in seinen Halbschatten ein.
    »Das ist Bertoldo, der Aufseher«, brummte Pratini. »Er prüft die Wachsgüsse von heute Vormittag. Ser Lorenzo macht ihm ständig Angebote, in seinen Garten zu wechseln. Ich werde ihn wahrscheinlich verlieren.«
    »Sind die zwei Buben seine Söhne?«
    »Nein, Bertoldo hat keine Familie. Talent zeigt sich nicht erst in Erwachsenen, Ser Bernward, es muss im Gegenteil in frühester Jugend erkannt und gehegt werden, damit es im Alter Früchte tragen kann. Die Knaben sind nur zwei von vielen Lehrlingen in meiner Werkstatt.«
    »Sie scheinen mir etwas zu jung dafür, dass ihre Eltern sie in Eure Obhut geben.«
    Er sagte herablassend: »Die Lehrlinge in meiner Werkstatt haben keine Eltern. Es sind Waisen. Indem ich versuche, ihr Talent zu fördern, gebe ich ihnen zugleich die Möglichkeit, den Weg zu verlassen, der vom Waisenhaus zum Armenhaus führt.«
    Die Prüfung war scheinbar zur Zufriedenheit des Aufsehers ausgefallen. Er tauchte zusammen mit seinen jungen Schülern aus dem Schuppen auf und marschierte wieder zum Eingangstor des Gartens. Die beiden Knaben versuchten, ein stolzes Lächeln zu unterdrücken. Pratini öffnete das Fenster und rief etwas hinunter. Bertoldo hob den Kopf, grinste und winkte zurück. Sein Gesicht war weiß überpudert von Staub; ein halbes Dutzend kleiner dunkler Blutfleckchen um die Nase und auf den Wangen hob sich schwarz davon ab. »Bertoldo hat wieder an seinen Kopien gearbeitet. Er kopiert die Statuen aus der Kaiserzeit und versucht, ihnen einen neuen Sinn zu geben. Da spürt er es überhaupt nicht, wenn ihm die Steinsplitter um die Ohren fliegen.«
    Ich sagte: »Warum habt Ihr Jana bei Benozzo Cerchi empfohlen?«
    »Hätte ich sie meinen Geschäftsfreunden empfehlen sollen? Ihr wisst, wie sie mit mir umgesprungen ist.«
    »Sie hat Euch bei einem Handel geschlagen. Ihr habt sie in die Verschwörung mit hineingezogen. Was Ihr in Venedig verloren habt, ist ein wenig Geld. Jana wird ihr Leben verlieren!«
    »Glaubt mir«, seufzte er, »ich bin der festen Überzeugung, dass Benozzo Cerchi nichts mit der Verschwörung der Pazzi zu tun hat.«
    »Jana erst recht nicht!«, rief ich störrisch.
    Er legte seine Stirn in noch mehr Falten und starrte mich an. »Wenn das Eure Überzeugung ist, müsst Ihr sie aus dem Gefängnis herausholen.«
    »Diese Worte habe ich schon einmal gehört.«
    »Warum glaubt Ihr, dass nur meine Schwester so denkt, aber nicht ich?«
    Ich klappte den Mund zu und beschloss, ihm keine Antwort darauf zu geben. Pratini wandte sich vom Garten ab und schlenderte

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