Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Kleinschmidt di Fondaco dei Tedeschi«, stotterte mein Schwiegersohn. »È mio papa.« Er wandte sich mit verzerrten Gesichtszügen zu mir um. »Ich habe ihnen gesagt, Ihr wärt mein Vater«, keuchte er.
Die Gerichtsdiener starrten ungläubig von mir zu ihm. Einer von ihnen bellte: »È vero?«
»Si.«
»Il nome?«
Ich verstand ihn auch ohne Übersetzung. »Sebastian Kleinschmidt«, hauchte ich.
Ich fühlte Janas Blicke in meinem Nacken. Ich konnte mich nicht dazu bringen, ihnen zu begegnen. Das schlechte Licht im Kerker verbarg, dass mein Gesicht dunkelrot vor Scham anlief. Ich spürte die Hand meines Schwiegersohns an meinem Arm und war ihm dankbar dafür. Der Gerichtsdiener wandte sich an die anderen Kaufleute und fragte sie, ob sie meine und Kleinschmidts Aussage bestätigen konnten.
Ich las den Ärger in ihren Augen über diese Komplikation ihrer heiklen Mission. Ich wusste, dass sie es nur aus dem Bemühen taten, weitere Schwierigkeiten zu vermeiden, als sie nickten. Ihr Sprecher schoss einen wütenden Seitenblick auf mich ab und sagte:
»È vero!«
Die Gerichtsdiener wandten sich unbefriedigt ab und bezogen wieder ihren Posten neben der Tür. Sie steckten die Köpfe zusammen und warfen mir verstohlene Blicke zu. Ich drückte meine Knie durch und versuchte, nicht zu schwanken.
»Sie sind noch nicht überzeugt«, raunte unser Verbündeter verzweifelt. »Dreht Euch wieder um und verfolgt die Prozedur, sonst fallt Ihr noch mehr auf.«
Ich drehte mich um und starrte zu Jana und ihrer Zofe hinüber. Julia gab meinen Blick mit unverhohlenem Entsetzen zurück. Noch schlimmer war Janas gesenkter Kopf. Ihr Haar verbarg ihr Gesicht, aber ich sah, wie sie die Fäuste ballte.
»Gianna Delugosch’?«, fragte der Offizier nochmals.
Ich sah in Julias Augen und hasste mich dafür: Ich schüttelte zusammen mit den Männern aus dem Fondaco den Kopf.
Vielleicht hätten sie mich am Ende doch nicht gehen lassen, aber einer der Gefangenen rettete mich. Als sein Name genannt wurde, nickten die Kaufleute aus dem Fondaco, und der Offizier winkte ihm ärgerlich zu, dass er gehen könne. Der Mann eilte erleichtert auf uns zu und schüttelte uns allen dankbar die Hand. Bei mir begann er damit; wahrscheinlich, weil ich ein ganzes Stück größer war als die anderen. Ich war mir sicher, dass er in seiner übergroßen Freude kein einziges Gesicht erkannte. Die Gerichtsdiener überzeugte es, dass ich doch irgendwie zum Fondaco gehörte. Wenn ich etwas im Magen gehabt hätte, hätte ich ebenso gekotzt wie Stepan Tredittore.
Wir wurden hinausgeführt, ohne dass ich Jana noch einmal in die Augen hätte sehen können. Julia hatte zu schluchzen begonnen und war von ihr angefahren worden. Das war ihre einzige Reaktion außer ihren geballten Fäusten. Die Kerkertür fiel wieder zu und sperrte sie zusammen mit den anderen Unglücklichen ein.
2.
E
s schien kaum Zeit vergangen zu sein, seit wir in das Gefängnis hineingeschlüpft waren. Der befreite Gefangene berichtete mit sich überschlagender Stimme, wie er von einer Gruppe randalierender Höflinge ergriffen, verprügelt und davongeschleppt worden war, als er versucht hatte, mit anderen die Kapelle der Familie Pazzi in Santa Croce vor Plünderern zu schützen. Seine Worte gellten in meinen Ohren genauso laut wie Giuliano de’ Medicis Totenglocken. Nach der Kühle im Inneren des Gebäudes brach mir der Schweiß in der drückenden Hitze draußen schlagartig aus.
Wahrscheinlich hasste mich Jana nun aus ganzem Herzen.
Aber wenn sie nur aus Versehen verhaftet worden wäre, hätte man sie spätestens jetzt freigelassen.
Ich sah auf, als mich jemand ansprach. Es war unser Verbündeter. »Na, kommt jetzt«, sagte er sanft. »Es hätte ihr nichts genützt, wenn sie Euch auch in den Kerker geworfen hätten.«
»Warum sagt Ihr das?«, stieß ich hervor. »Warum habt Ihr uns geholfen? Wie heißt Ihr überhaupt?«
Er zuckte mit den Schultern und lächelte mich freundlich an. »Das ist alles kein Geheimnis. Mein Name ist Rudolf Gutswalter. Als ich vor zwei Jahren hier ankam, haben mich ein paar Florentiner kräftig über den Tisch gezogen. Ich war ruiniert und saß für ein paar Wochen im Schuldgefängnis. Während ich dort einsaß, besuchte ein Patrizier hier aus der Stadt seinen Vetter, der ebenfalls wegen Geldschwierigkeiten eingesperrt war. Wir kamen miteinander ins Gespräch, und er löste mich bei der mercatanzia aus, streckte mir das Geld für einen Anwalt vor und
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