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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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etwas klirren und krachen. Dunkle Gegenstände auf der Gasse schienen zertrümmerte Möbel und Einrichtungsgegenstände zu sein. Vielleicht ein Haus von Pazzi-Anhängern, in dem noch immer geplündert wurde; ich blieb stehen und versuchte darüber nachzudenken, in welche Richtung ich gehen sollte. Der ältere Mann, der gleich danach um die Ecke gelaufen kam und mit kalkweißem Gesicht in meine Richtung floh, nahm mir die Entscheidung ab. Ein halbes Dutzend weiterer Männer setzte ihm nach und erwischte ihn, keine hundert Schritte von mir entfernt. Er sank auf die Knie und flehte um Gnade. Sie schubsten ihn gegen die Mauer des nächsten Hauses, stießen ihn zwischen sich herum, und bei jedem Stoß trat eine Faust in Aktion und traf sein Gesicht, seinen Hals oder seinen Oberkörper. Als er auf den Boden stürzte, traten sie mit den Füßen auf ihn ein. Ich wollte mich abwenden, doch eine grausige Faszination hielt mich fest; das und der Ekel davor, dass ich keinerlei Anstalten machte, dem Mann zu helfen. Schließlich wandten sie sich ab und ließen eine gekrümmte Gestalt bewegungslos auf dem Pflaster zurück. Ich versuchte, mich davonzustehlen, da wurde einer auf mich aufmerksam. Sofort sprangen sie über die Gasse und schnitten mir den Weg ab. Wegzulaufen wäre das Dümmste gewesen, also blieb ich wieder stehen. Eine Schwäche kroch in mir empor, als ich sie mit locker herabhängenden Armen in meinem Weg stehen sah.
    »Was ist los?«, keuchte ich. Ich sah mich um, aber ich war mit ihnen allein. Nicht, dass ich in dieser Situation inmitten einer Menschenmenge auf Hilfe gehofft hätte. Ich konnte das Bündel weiter vorn sehen, das der alte Mann gewesen war und dem auch niemand geholfen hatte.
    Der Anführer der jungen Männer stolzierte vor mich hin und maß mich von oben bis unten. Er war viel kleiner, viel jünger und viel gefährlicher als ich. Ich schluckte trocken. Der Herzschlag in meinen Ohren war jetzt sehr laut.
    »Sei Pazzi? Medici?«, fragte der junge Kerl herausfordernd. Ich machte den Mund auf und erkannte, dass ich eine hundertprozentige Chance hatte, das Falsche zu antworten. Egal, welcher Seite er und seine Kumpane zuneigten: Im Moment waren sie auf Gewalt aus.
    »Sono nessuno«, erwiderte ich. Sein Grinsen erlosch jäh. Er wandte sich seinen Genossen zu und sagte etwas durch die Zähne; wahrscheinlich erklärte er ihnen, dass ich ein Spaßvogel sei. Sie rückten näher. Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenballte. Der junge Mann hob die Hände und stieß mich vor die Brust. Es war ein spielerischer Stoß, als wolle er meine Kräfte messen. Ich stolperte zurück; mit meinen Kräften war es im Moment nicht weit her. Meine Gedanken rasten, wie ich mich ihrer erwehren sollte. Er grinste wieder und murmelte etwas Unverständliches.
    »Ich bin nur ein Besucher in Florenz«, begann ich auf Latein. Sie sahen wohl gekleidet genug aus, um die Sprache ihrer Vorfahren gelernt zu haben. Es machte keinerlei Eindruck auf sie. Der Mann vor mir setzte mir einen Schritt nach und rempelte mich wieder an. Ich spürte eine Mauer in meinem Rücken. Mit dem Zurückweichen war nun Schluss. Weiter vorn in der Gasse erhob sich ein lautes Jammern, aber er hatte nur Augen für mich. Er starrte mir mit seinem hündischen Grinsen ins Gesicht und wartete darauf, dass ich die Hand hob. Wenn er lange genug gewartet hatte, würde er zuerst zuschlagen. Ich bemühte mich, nicht zu schlucken, und tat es doch. Mein Mund schien sich mit Speichel zu füllen, aber wenn ich versuchte, ihn hinunterzubringen, arbeitete meine Kehle nur trocken. Das Jammern vorn wurde lauter. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich die anderen der neuen Ablenkung zuwandten. Einer der jungen Männer rief ihrem Anführer etwas zu, was dieser ignorierte.
    Der Rufer trat vor und packte ihn am Arm. Er wandte sich ihm zu, ohne mich aus den Augen zu lassen, mit der Miene eines ungnädigen Potentaten, der einem Bittsteller ein Ohr leiht. Sein Kumpan deutete aufgeregt in die Richtung des Lärmens. Der junge Mann zögerte, trat zurück, um aus meiner Reichweite zu kommen, und drehte den Kopf.
    Eine Frau mit aufgelösten Haaren kniete bei dem regungslosen alten Mann auf dem Boden. Sie schrie und weinte und hieb mit den Fäusten auf ihren Schoß. Ich konnte ihr Gesicht auf die Entfernung nicht sehen, aber dass das Oberteil ihres Gewandes ebenso zerrissen war wie der Rock und dass sie barfuß war. Der junge Mann gab seinen Leuten ein Zeichen mit dem Kopf, und sie stürzten

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