Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
zu der, die wir heute Morgen aufsuchten. Es gab im Übrigen auch keine weiteren Verhafteten aus dem Fondaco.«
Ich nickte, ohne mich wirklich erleichtert zu fühlen.
»Aber ich habe etwas erfahren, das Euch vielleicht interessieren dürfte. Es war außer uns eine weitere Gruppe von Leuten im Gefängnis, anscheinend Verwandte eines verhafteten Florentiners. Sie beteuerten seine Unschuld und dass es sich bei seiner Verhaftung um ein Versehen handeln müsse. Der Wachführer sagte ziemlich höhnisch, dass sie sich ja nach dem Mittagsläuten im Haus des capitano del popolo einfinden könnten; dort würde öffentlich Anklage gegen die erhoben, für deren Schuld Beweise vorlägen.«
»Beweise?«
»Ja; und da dachte ich, vielleicht möchtet Ihr nachsehen, ob überhaupt Beweise gegen Eure Gefährtin vorliegen und welcher Art sie sind. Falls Ihr es noch nicht wisst – aber wenn Ihr es wüsstet, hättet Ihr ja wohl kaum das Risiko auf Euch genommen, sie im Gefängnis aufzusuchen.«
»Wo ist das Haus des capitano del popolo?«, fragte ich erregt.
»Schräg hinter dem Palazzo della Signoria, die Via Leoni hinauf in Richtung Dom. Von hier aus kommt ihr am besten über die Via Ghibellina hin. Ihr könnt es nicht übersehen; es ist ein festungsartiger Bau, so ähnlich wie der Palazzo della Signoria, mit einem kleinen Turm an der Nordflanke.«
»Ich glaube, ich habe ihn schon von weitem gesehen. Ich danke Euch«, sagte ich und machte Anstalten, zur Tür zu gelangen. Er hielt mich auf. »Der capitano del popolo ist der Stadthauptmann«, sagte er. »Ihm unterstehen die Volksräte und die bewaffneten Kräfte der Stadt, und er ist ein hundertprozentiger Medici-Anhänger. Zu seinem Haus zu gehen ist also nicht weniger gefährlich als ins Gefängnis. Benehmt Euch nicht zu auffällig.«
»Ich werde mir Mühe geben.«
Er grinste und gab mir den Weg zur Tür frei. Ich öffnete sie und drehte mich noch einmal um. »Sobald ich Zeit habe, möchte ich für Euch eine große Kerze im Dom anzünden.«
Er lachte. »Schließt mich lieber in Euer nächstes Geschäft ein, wenn Ihr die Geschichte hier heil überstanden habt.«
Ich sah Johann Kleinschmidt zum Tor des Fondaco hereinstürmen, als ich auf der Treppe des Wohngebäudes nach unten schritt. Sein Gesicht war erhitzt und sein Haar wirr; er trug nicht einmal seinen Hut. Die drückende Schwüle senkte sich nach der Kälte im Inneren des Wohngebäudes wie ein Tuch auf mich herab.
»Gott sei Dank, da seid Ihr ja!«, rief er schon von weitem.
»Ist etwas passiert?«
»Nein, ich machte mir nur Sorgen, dass Euch etwas zugestoßen sein könnte.«
»Ich glaube, die meisten Florentiner leben zur Zeit gefährlicher als ich«, sagte ich düster. »Was ist mit Janas Rechtsbeistand?«
»Ich habe keinen gefunden«, flüsterte er. Ich starrte ihn an.
»Was soll das heißen: Du hast keinen gefunden? Waren sie alle zur Erholung im Umland?«
Er wehrte sich nicht gegen meine Grobheit. »Nein, sie wollten ihre Verteidigung nicht übernehmen.«
»Woran lag es denn? Am Geld?«
»Einer hat gesagt, alles Geld der Welt könnte ihn nicht dazu bringen…«
»Was zum Teufel bedeutet das?« Ich merkte, dass ich laut wurde.
»Ist es, weil Jana keine Florentinerin ist? Ist es das?«
»Nein… ja… vielmehr ist es so…«
»Hast du überhaupt alle Möglichkeiten ausgeschöpft? Bei wie vielen warst du? Es muss doch von Rechtsverdrehern wimmeln in Florenz! Hast du deine Geschäftskontakte ausgenützt? Hast du ihnen Bestechungsgelder angeboten? Hast du wirklich alles versucht?«
Er hörte mir zu, bis sich mein Ausbruch von selbst erschöpfte. »Niemand will eine Fremde vertreten, hinter der niemand steht, für die niemand bürgt und mit der noch nicht einmal der Fondaco etwas zu tun haben will. Und niemand will sich in einem Prozess auf die Seite derer stellen, die den ganzen Volkszorn gegen sich haben. So einen Prozess würde man nur verlieren, und dann könnte das Unglück des Klienten einen sehr schnell selbst mit in den Abgrund ziehen.«
»Es muss doch auch Anwälte geben, die die Anhänger der Familie Pazzi verteidigen…«
»Die Hauptverschwörer hängen bereits am Palazzo della Signoria«, rief Kleinschmidt heftig. »Und ihnen hat keiner den Prozess gemacht. Die anderen sitzen zu Dutzenden im Gefängnis. Die wenigen Notare und Rechtsanwälte, die sich auf ihre Seite geschlagen haben, sind mit deren Verteidigung voll ausgelastet!«
»Da nimmt sich keiner noch zusätzlich des hoffnungslosen Falls
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