Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
mit etwas. Ich selbst hielt einen kleinen Stoß halbverbrannter, zerrissener und verwischter Pergamente fest, die einzigen halbwegs lesbaren Dokumente, die ich hatte finden können. Alle befassten sich mit Geschäftsvorgängen in Venedig oder davor. Meine Hände waren schmutzig; ich betrachtete die eingerissenen Nägel und das Zittern meiner Finger. Ich hörte Tredittore rülpsen und sah ihn sich gleich danach schmerzlich den Magen reiben. Vermutlich hinderte ihn nur die Vergiftung daran, auf einem Bein herumzutanzen und Janas Untergang zu besingen. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder es hatte jemand Jana verleumdet, oder es gab tatsächlich Beweise dafür, dass sie an der Verschwörung beteiligt war. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wenn die zweite Möglichkeit wahr war; und ich fürchtete mich davor, darüber nachzudenken, wie wahrscheinlich die erste Möglichkeit sein konnte. Wenn jemand Interesse daran hatte, Jana bei den Behörden anzuzeigen, dann ausschließlich Stepan Tredittore – aber er hätte es nicht auf eine Art und Weise getan, die ihn selbst in Gefahr brachte. Wäre sein Aufzug, als er in Vespuccis Haus eintraf, und die Vergiftung vom Schindanger nicht gewesen, wäre ich vielleicht geneigt gewesen zu glauben, dass er die Geschichte seiner Flucht nur erfunden hatte. So aber… Es sah so aus, als hätte er es nicht einmal nötig gehabt, Jana zu verleumden, um sie zu vernichten. Sie hatte es ganz allein geschafft.
Als wir in den Fondaco zurückkehrten, machte sich die Delegation von Ferdinand Boehl ein zweites Mal auf den Weg ins Gefängnis. Tredittore und ich machten ihnen Platz. Sie warfen mir misstrauische Blicke zu, und ich war froh, dass der Zunftrektor nicht bei ihnen war. Sicherlich hatten sie ihm bereits mitgeteilt, dass ich ihre Mission in Gefahr gebracht hatte. Rudolf Gutswalter war wieder unter ihnen; als er mich sah, trat er aus der Gruppe heraus und gesellte sich zu uns.
»Es ist eine neue Ladung Gefangener eingetroffen. Ich hoffe bloß, Ihr wollt nicht noch einmal mitkommen«, sagte er mit nicht ganz gespielter Sorge.
»Ich fürchte, es würde nicht viel Sinn machen.«
»Da habt Ihr Recht. Kann ich etwas für Euch tun?«
»Ihr habt meine Gefährtin gesehen. Würdet Ihr ihr etwas ausrichten?«
»Nein, mein Lieber«, winkte er ab. »Sie ist mir zu gefährlich, wenn Ihr wisst, was ich meine.«
»Oder eine Nachricht zukommen lassen?«
»Denkt Euch lieber etwas aus, bei dem ich nicht mit ihr in Verbindung gebracht werde.«
Ich schüttelte mutlos den Kopf. Er klopfte mir auf den Arm und machte, dass er wieder Anschluss zu seinen Genossen fand. Während Stepan Tredittore sich in das Zimmer zurückzog, das wir teilten, suchte ich die Kammer meines Schwiegersohns auf. Sie war leer; offensichtlich war Kleinschmidt bereits auf der Suche nach einem Rechtsbeistand für Jana. Ich gestattete mir ein wenig Hoffnung. Ursprünglich hatte ich befürchtet, dass er selbst dazu zu ungeschickt sein würde. Ich durchsuchte ohne große Hoffnung die einzige von Janas Truhen, die wir hatten retten können, nach Schriftstücken, die mir die Sachlage hätten erklären können. Bis auf ein hastig hingekritzeltes Schreiben an die Florentiner Behörden, mit dem sie um die Erlaubnis bat, zu günstigen Steuersätzen Geschäfte machen zu dürfen, und auf das sie auf Grund der unfreiwilligen Protektion Kardinal Riarios offensichtlich verzichten zu können geglaubt hatte, fand ich nichts. Ich steckte es trotzdem ein. Dann marschierte ich in dem engen Raum auf und ab, um auf Kleinschmidt zu warten -in die Gesellschaft Tredittores zurückzukehren, fehlten mir die Nerven. Bis jetzt hatte er sich zwar fast bewundernswert zurückgehalten und kein einziges Wort des Triumphs geäußert, doch schrieb ich dies weniger seiner angeborenen Vornehmheit als vielmehr seinem ausgerenkten Magen zu. Als die Tür aufsprang, machte ich einen Satz. Es war jedoch nicht mein Schwiegersohn, der die Kammer betrat, sondern Rudolf Gutswalter.
»Euer Mitarbeiter hat mir gesagt, dass ich Euch in dieser Kammer finden würde«, erklärte er.
»Wenn Ihr damit Stepan Tredittore meint, der ist nicht mein Mitarbeiter. Gott bewahre«, sagte ich. »Wie war es im Gefängnis?«
Er lächelte freundlich, aber das Mitleid in seinen Augen alarmierte mich. »Ich habe Eure Gefährtin nicht gesehen, wenn Ihr das meint.«
»Ihr habt sie nicht gesehen!?«
»Das bedeutet überhaupt nichts. Wir wurden diesmal zu einer anderen Zelle geführt, nicht
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