Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
einer Nichtflorentinerin an«, vollendete ich langsam.
Kleinschmidt machte eine lange Pause.
»So ist es«, erwiderte er schließlich.
»Na gut«, sagte ich und fuhr mir durch das Haar, bis es schmerzte, »na gut. Ich habe gerade erfahren, dass im Haus des capitano del popolo Beweise für die Schuld der Verhafteten präsentiert werden. Vielleicht haben sie gegen Jana gar keine Beweise; vielleicht wurde sie nur eingesperrt, weil sie sich auf Benozzo Cerchis Gut aufhielt. Komm, du begleitest mich dorthin; ich brauche jemanden, der mir übersetzt, was gesagt wird.«
»Aber zum capitano del popolo zu gehen, das ist…«
»… genauso gefährlich wie ins Gefängnis, ich weiß. Ich verlasse mich darauf, dass wir in dem Trubel, der dort herrschen wird, gar nicht auffallen.«
3.
D
er Festungsbau des capitano del popolo besaß einen Turm ähnlich dem auf dem Palazzo della Signoria, von dem wie im Triumph Wimpel mit dem Wappen der Medici hingen. Ein enger Eingang führte in einen Innenhof, in dem sich ein gutes Dutzend Menschen aufhielt. Der Wächter an der Eingangspforte musterte uns, ließ uns jedoch passieren. Wenn ihm Kleinschmidts Nervosität auffiel, sagte er nichts dazu. Vermutlich dachte er, wenn wir Böses im Schilde führten, konnte es für uns keinen besseren Platz geben als das Innere des Gebäudes. Die Stimmung unter den Menschen im Innenhof war gedämpft; es waren ausnahmslos Frauen in Begleitung von Dienerinnen oder Dienern, zwei wurden von Priestern begleitet. Als wir näher traten, wandten sich uns ihre Gesichter zu. An einer Seite des umlaufenden Bogengangs stand eine Holzwand, die von zwei weiteren Bewaffneten bewacht wurde. Die Frauen widmeten sich wieder der Untersuchung der wenigen Pergamentstücke, die an der Wand befestigt waren. Die Priester schienen denjenigen, die nicht lesen konnten, anzubieten, den Inhalt der Schriftstücke vorzulesen.
Kleinschmidt flüsterte: »Wenn dort ein Brief Janas hängt und wir stellen uns davor auf, weiß jeder, dass wir zu ihr gehören.«
»Stimmt. Daran hatte ich nicht gedacht.«
»Am besten gehen wir wieder.«
»Nein. Wir tun so, als könnte ich nicht lesen. Lies mir zuerst eins der anderen Schriftstücke vor. Dann fallen wir nicht auf. Die Priester machen es genauso.«
Ich erblickte die Schreiben mit Janas Unterschrift fast sofort. Es waren zwei, als hätte eines allein nicht schon genügt, uns ins Unglück zu stürzen. Kleinschmidt las mir stockend etwas vor, das sich wie das Protokoll der Zeugenaussage eines Mannes namens Cesare Petrucci anhörte, der den Erzbischof von Pisa mit dreißig Spießgesellen im Palazzo della Signoria festgesetzt und damit einen der Hauptverschwörer gefangen hatte. »Bischof Salviati muss ein Idiot gewesen sein«, sagte Kleinschmidt fassungslos. »Er hat sich von gonfaloniere Petrucci wie ein Kätzchen im Empfangssaal des Palazzo einsperren lassen. Er verlangte eine Unterredung mit ihm, erzählte dem gonfaloniere, er hätte eine dringende Nachricht vom Papst – und Petrucci, der ihm kein Wort glaubte, verließ einfach den Saal, warf die Tür zu und drehte den Schlüssel um.«
Ich hörte ihm kaum zu. Ich las Janas Brief. Er war in flüssigerem Latein abgefasst, als ich es Jana zugetraut hätte. Scheinbar hatte sie beim Schreiben weniger Schwierigkeiten als beim Sprechen. Der Inhalt war dennoch nicht dazu angetan, Freude oder Stolz in mir aufkommen zu lassen.
»An Paolo Boscoli… Ich bitte Euch um eine möglichst rasche Zusammenkunft, um zu beraten, wie wir den Sturz des Medici-Tyrannen beginnen können, dessen Familie die freie Republik schon zu lange knechtet und der nicht nur dem Heiligen Vater in Rom ein Dorn im Fleische ist. Über die finanziellen Regelungen sollten wir uns bei dieser Gelegenheit ebenfalls einig werden. Ich möchte schon jetzt durch die Zahlung eines Anteils sicherstellen, dass ich für die folgenden Jahre eine auszuhandelnde Spanne an allen Gewinnen erhalte, die aus unserer Unternehmung erwachsen, ferner…«
Ich überflog den Rest, der Janas Grüße und das übliche höfliche Gezeter am Ende eines Geschäftsbriefes enthielt. Der zweite Brief war im Inhalt identisch; er war an Benozzo Cerchi gerichtet, auf dessen Landgut Jana das Verhängnis ereilt hatte. Ich wandte mich ab und machte mich mit steifen Beinen auf den Weg zum Tor. Kleinschmidt, der das Schriftstück ebenfalls überflogen hatte, folgte mir mit verkniffenem Gesicht.
»Kommt, setzt Euch«, sagte er. »Ihr seid ja
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