Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
totenblass.«
Er nahm meinen Arm und führte mich durch die Eingangspforte ins Freie. Ich schüttelte seine Hand ab, ließ mich aber widerstandslos zu einem Sims führen, auf das man sich setzen konnte. Meine Hände zitterten.
Ich blickte zum Eingang des Baus und sah die Holzwand und das Schreiben darauf vor mir; das Schreiben, von dem ich gehofft hatte, dass es nicht existieren würde. Jana hatte dickes, teures Pergament verwendet – eines, auf dem sich Schreibfehler mit einigem Geschick und einem scharfen Messer spurlos wieder ausbessern ließen. Diese Korrespondenz war ihr scheinbar wichtiger als alles andere gewesen. Deshalb auch das förmliche Latein; Gott bewahre, dass in einem Brief, der ihren eigenen Untergang besiegelte, etwa noch eine Unsauberkeit gewesen wäre.
Ich fühlte mich leer; was immer ich an Hoffnung verspürt hatte, als ich mich auf den Weg zum Haus des Stadthauptmanns machte, war jetzt ausgelöscht. Ich hörte die Stimme von Johann Kleinschmidt, der auf mich einredete, ohne seine Worte zu verstehen. Er schien zu sagen, dass wir uns hier nicht länger als unbedingt nötig aufhalten sollten.
Plötzlich stand ich auf. Kleinschmidt wich einen Schritt zurück und sah zu mir auf. Es bereitete mir Mühe, mich auf ihn zu konzentrieren.
»Geh zurück in den Fondaco«, sagte ich wie von weither.
»Und… Und Ihr?«
»Ich weiß nicht. Ich muss nachdenken. Lass mich allein.«
»Ihr dürft nicht in der Stadt herumlaufen.« Ich ignorierte ihn, und er seufzte und sagte: »Kann ich irgendetwas für Euch tun?«
»Such weiter nach einem Anwalt für Jana. Sag den Kerlen, dass Geld keine Rolle spielt. Jana besitzt ein großes Handelshaus in Krakau.«
Ich sah an seinem Gesicht vorbei, damit ich darin nicht lesen musste, wie wenig Hoffnung er diesem Unternehmen beimaß. Trotzdem sagte er: »Ich fange gleich wieder damit an.«
Ich hörte mich ihm danken und stolperte die Gasse hinauf. Ohne mich darauf zu besinnen, schlug ich den Weg zum Dom ein; zum Haus Piero Vespuccis, die einzige Richtung, die mir mittlerweile geläufig war. Meine Ohren brausten.
Dass sie so dumm sein konnte! Dass sie so derartig leichtsinnig, so unglaublich dumm sein konnte! In Landshut war sie in der Maske einer Zofe in der Hochzeitsdelegation der polnischen Prinzessin untergetaucht und hatte von dort aus ganz vorsichtig Handelsbeziehungen zu den niederbayerischen Kaufleuten zu knüpfen versucht; in Venedig war sie immerhin noch so umsichtig gewesen, die Gewürzhändler über einen Mittelsmann zu bestechen, sodass sie selbst stets im Hintergrund geblieben war. Und hier, wo es um Leben und Tod ging, hatte sie sich ohne jede Vorsichtsmaßnahme bewegt. Die Bestechungsaffäre in Venedig war dazu vergleichsweise lächerlich gewesen; schlimmstenfalls hätte kein Zunftmitglied in Venedig mit ihr mehr Handel getrieben. Hier wartete günstigstenfalls eine lange Kerkerhaft auf sie. Dass sie so dumm sein konnte! Es sah ihr überhaupt nicht ähnlich.
Der Gedanke kam mit einer solchen Leichtigkeit, dass ich überrascht keuchte und mich zu Johann Kleinschmidt umdrehte; aber dieser hatte bereits den Weg zurück in den Fondaco angetreten. Ich sah mich um; ich stand allein auf dem südlichen Teil des Domplatzes.
Der Brief sah Jana nicht ähnlich, weil sie ihn gar nicht geschrieben hatte. Er war eine Fälschung. Jemand hatte ihre Handschrift und ihre Unterschrift nachgemacht und sein Können dazu benutzt, diesen fatalen Brief zu schreiben. Auf dem teuren Pergament war es einfach gewesen, etwaige Fehler zu verbessern.
Ich hörte mich ungläubig lachen.
Warum sollte jemand so etwas tun? Um Jana zu vernichten, ohne sich selbst die Hände schmutziger als nötig zu machen.
Und warum?
Es gab Gegner zuhauf.
Fangen wir an: Ser Mocenigo in Venedig; und Ser Pratini hier in Florenz, die sie beide düpiert hat. Stepan Tredittore – er vor allen Dingen.
Doch Ser Mocenigo war weit, und dass er tief genug in die Geschehnisse um den Aufstand gegen Lorenzo de’ Medici verwickelt war, um ein derartiges Schreiben zu fälschen, war unwahrscheinlich. Antonio Pratini fiel schon stärker ins Gewicht; er musste jedoch über andere Mittel und Wege verfügen, wenn ihm wirklich an einer Zerstörung Janas gelegen war. Er war reich genug und besaß vermutlich den nötigen Einfluss, Jana einfach aus der Stadt werfen zu lassen – besonders wenn er dahinterkam, dass sie sich nach Florenz eingeschlichen hatte. Andererseits hätte Jana mit einer entsprechenden
Weitere Kostenlose Bücher