Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
Vom Netzwerk:
winzige Räume beherbergte. Eine dritte Tür lag am jenseitigen Ende des Ganges, dem Eingang gegenüber. Dahinter fand ich den für die florentinische Architektur üblichen Innenhof.
    Er war nur ein Geviert, das von hölzernen Treppen ohne Balustraden eingefasst wurde. Der Boden bestand aus festgestampftem Erdreich, das vor Nässe stumpf glänzte. In Unebenheiten schwamm schillernde Flüssigkeit; es roch beklemmend nach Abfall. Das Licht war nur wenig heller als im Inneren eines Raumes. Ich sah nach oben, aber der Himmel war von kreuz und quer gespannten Schnüren verdeckt, an denen fleckig gefärbte Stoffe hingen: gelbe und grüne Töne, die billigsten Farben. Zwei Rahmen, auf die nasse Häute gespannt waren, stanken nach altem Fett und Maden. Zum Fluss hin öffnete sich ein breiter Durchgang, hinter dem der Boden sofort steil abfiel und an einem unbefestigten, strauchbewachsenen Flussufer endete. In der Stille des Innenhofs hörte ich das Weinen eines Kleinkindes und das kraftlos leiernde Gezänk einer Frau.
    Die Treppenstufen führten zu umlaufenden Loggien, die wenig mehr als schmucklose Laufgänge waren und eher an den Wehrgang einer Stadtmauer erinnerten als an ein Wohnhaus. Öffnungen in unterschiedlichster Entfernung zueinander führten in Räume und waren offenbar nach Gusto der jeweiligen Besitzer nachträglich in die Wand gebrochen worden. Die wenigsten von ihnen besaßen Türen. Eine Frau in einem verwaschenen Kleid trat mit einem Topf durch eine der Öffnungen im ersten Stockwerk und goss eine heiß dampfende Flüssigkeit in den Innenhof herunter. Als sie mich sah, zog sie sich eilig zurück. Von der Stelle, an der die Flüssigkeit aufgetroffen war, stieg der moosige Geruch von gekochtem Flussfisch auf.
    Ich holte Atem, um nach Lapo Rucellai zu rufen, aber dann schloss ich den Mund wieder. Ich hatte keine Lust, das ganze Haus auf mich aufmerksam zu machen. Durch die Türöffnung oben trat jetzt ein Mann mit verfärbten, bleichhäutigen Unterarmen und starrte mich an.
    »Lapo Rucellai?«, fragte ich ihn. Er überlegte einen Augenblick, dann hob er die Hand und rieb die ersten drei Finger gegeneinander. Ich fischte eine Münze aus meiner Tasche und warf sie ihm zu. Er fing sie, betrachtete sie und stopfte sie in seine Hose. Dann beugte er sich nach vorn und brüllte aus Leibeskräften Lapos Namen in das Schweigen des Innenhofs.
    In Sekundenschnelle drängten sich auf jedem Stockwerk neugierig gaffende Frauen, Kinder und Männer, während Lapos hilfreicher Nachbar sich ohne ein weiteres Wort zurückzog. Mit Verspätung tauchte auch der Notar auf dem Laufgang des obersten Stockwerks auf und spähte herunter. Sein Blick fiel auf mich, ohne dass er mich wiedererkannte.
    »Ich habe einen Auftrag für Euch«, rief ich schnell auf Latein, bevor er das Interesse verlor. Ich sah, wie er stutzte.
    »Wer seid Ihr?«
    »Wir haben uns vor dem Stadttor getroffen. Ihr sagtet, Ihr wärt ein Spezialist und ein Notar, der nicht in der Tradition von Ser Ciappelleto arbeite. Erinnert Ihr Euch?«
    Er lächelte plötzlich. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Der Gefährte des Kardinals.«
    Kardinal Riario, der von Lorenzos Wachen im Dom umstellt wurde und vor Schreck zu weinen begonnen hatte. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mich von ihm distanzieren zu müssen. »Nur ein Reisegefährte, weiter nichts.«
    Er zuckte desinteressiert mit den Schultern. »Ihr habt einen Auftrag für mich?«
    »Für den Spezialisten«, sagte ich mit Nachdruck. Er zögerte einige Momente lang.
    »Kommt doch herauf«, sagte er dann mit einiger Höflichkeit in der Stimme. Er sah sich um, als ob er die Zuschauer unserer kurzen Unterhaltung erst jetzt bemerken würde, und keifte etwas auf Florentinisch. Ich verstand es weder, noch zeigte es irgendeine Wirkung. Erst als ich begann, die Treppen zu erklimmen, zogen sich die meisten der Gaffer zurück. Die Stufen knarrten und waren in verschiedenen Schrittabständen gesetzt, als wäre das vorherrschende Qualitätsmerkmal bei ihrem Bau die Geschwindigkeit gewesen. Ich keuchte, als ich endlich vor Lapo Rucellai stand.
    In seinem Gesicht war noch immer der gleiche Bartschatten wie am Gründonnerstag. Die fehlende Kappe offenbarte struppig kurz geschnittenes, eisgraues Haar, der fehlende Mantel einen untersetzten Körper mit dem prallen Bauch des schlecht Ernährten und O-Beine, durch die man Schafe hätte treiben können. Ich schüttelte seine Hand und fühlte Schweiß, Schmutz und Hautfett. »Ist es nicht

Weitere Kostenlose Bücher