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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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sich bei dem Brief im Bargello um eine Fälschung handelt oder ob es zu schwer ist.«
    »Mehr nicht?«
    »Was habt Ihr erwartet? Hexerei? Dann hätte man mich schon lange auf der Piazza della Signoria verbrannt.«
    »Wenn Ihr es nicht herausfinden könnt?«
    »Dann erlasse ich Euch den Rest auf die zehn Goldflorin.« Er lächelte gutmütig.
    Ich schüttelte meine Börse in seine offene Hand, verfolgt von den überrascht-gierigen Blicken seiner Frau und Tochter. Er schniefte und steckte die Münzen ein, wobei es ihm gelang, den Eindruck eines Mannes zu machen, der über seine eigene Preisgestaltung ein schlechtes Gewissen hat.
    »Das Originaldokument?«
    Ich reichte ihm Janas Schreiben. Er faltete es auseinander und überflog es. Zumindest im Lesen war er schnell.
    »Ich möchte es mir kurz ansehen, bevor ich losziehe«, erklärte er.
    »Ich sehe Euch dann in zwei Stunden.«
    »Ich warte hier auf Euch, bis Ihr es angesehen habt, und begleite Euch dann ein Stück des Wegs. Wenn Ihr nichts dagegen habt.«
    Er lächelte wieder auf seine gutmütige, pausbäckige Art. »Nun gut«, seufzte er, »Ihr habt ein Recht auf ein wenig Misstrauen. Wenngleich es fehl am Platze ist. Ich bin gleich wieder zurück.«
    Er schlüpfte in seine Kammer und zog die Tür hinter sich zu. Lapos Frau und Tochter saßen immer noch auf dem Bett. Sie hatten die Reste der Mahlzeit mittlerweile beendet und betrachteten mich nach der Geldübergabe mit großen Augen. Ich nickte ihnen unbeholfen zu, und Lapos Frau lächelte scheu und sagte etwas Florentinisches. Ich nahm an, es war eine Bitte um Almosen, und produzierte aus dem Beutel um meinen Hals eine kleine Münze, die sie an sich nahm. Ich war dumm, jedoch nicht so dumm, Lapo meine gesamte Barschaft auszuhändigen. Ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass der Sinn ihrer Worte ein anderer gewesen war. Sie versuchte es noch einmal. Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich von ihnen ab, um den fruchtlosen Versuchen zu entkommen. Stattdessen starrte ich zur Türöffnung hinaus. Das Unwetter war noch nicht bedeutend näher gekommen, aber es rückte unerbittlich heran. Über die Dörfer westlich von Florenz breitete sich lautlos eine düstere Schwinge aus.
    Ich hörte, wie die beiden Frauen hinter mich traten. Lapos Frau zupfte mich am Ärmel. Noch ehe ich etwas sagen konnte, trat sie zu ihrer Tochter, hob ihr vorne das Kleid auf und entblößte zwei magere, schmutzige Beine mit knotig-dunklen Knien und den buschigen Haarfilz ihres Geschlechts. Die Tochter sah mich gleichgültig an. Aus der Nähe besehen, schienen ihre Pupillen in der Iris ihrer Augen zu schwimmen. Mutter Rucellai ließ das Kleid wieder fallen, ballte eine Hand zur lockeren Faust und steckte den Zeigefinger der anderen Hand hinein.
    »No?«, sagte sie.
    »No!«, keuchte ich.
    Sie zog ein bedauerndes Gesicht und setzte sich mit ihrer Tochter wieder auf das Bett. Das Mädchen verzog weder die Miene, noch gab sie einen Laut von sich. Ich drehte mich um und nahm wieder die Betrachtung des Himmels auf, verkrampft und schwitzend vor Abscheu, dass sie mir noch weitergehende Avancen machen würden. Mutter Rucellai bot ihre Tochter wie eine Schlupfhure an, Vater Rucellai würde nichts herausfinden, und ich wünschte mich sehr weit weg.
     
    Eine endlose Weile später begleitete ich Lapo Rucellai durch ein Gewirr enger Gassen, die wegen des diffusen Lichts noch finsterer wirkten. Er schritt mit unangebrachtem Selbstbewusstsein hindurch und trug seine speckige Kappe hoch, aber sein Gesicht war nachdenklich. Vielleicht war es ihm in der Abgeschiedenheit seiner Kammer klar geworden, worauf er sich eingelassen hatte. Ich war darauf vorbereitet, eine Forderung nach höherer Entlohnung von ihm entgegenzunehmen. Er hielt sich jedoch zurück. Wenn er sich fragte, warum jemand, zu dessen nahem Bekanntenkreis offensichtlich ein Mitverschwörer gehörte, noch immer frei herumlief, machte er darüber keine Bemerkung – wenn man sein Gemurmel, dass der Umweg durch die Gassen in Wahrheit eine Abkürzung war, denn man musste nicht damit rechnen, von den »aufgeblasenen Volkskompanien aufgehalten und ausgequetscht zu werden, die der gonfaloniere bestimmt schon gestern Abend zusammengestellt« hatte, nicht als eine solche deuten wollte. Er mochte fürchten, mit mir zusammen in eine dieser Volkskompanien hineinzulaufen; und: mitgegangen, mitgefangen…
    Als ich das dumpfe Röhren von den Löwenkäfigen hinter dem Palazzo della Signoria hören konnte,

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