Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Gesichtern taumelten, die einen großen hölzernen Bottich zwischen sich trugen. Ein betäubender Geruch wehte ihnen voraus. Die Menschen um mich herum wandten die Gesichter ab oder steckten die Nasen in ihre Armbeugen. Neben mir würgte eine Frau und lachte gleichzeitig. Die Männer stolperten vorbei, stießen gegen die Zuschauer und kippten den Bottich mit einem erleichterten Schrei hinunter. Der Gestank wallte brutal auf, die beiden sprangen zurück, im Wasser unten klatschte es laut, und die Menge brüllte vor Ekel und begann gleich danach wieder, mit allen Händen zu feuern.
Der Inhalt des Bottichs hatte eine missfarbene Spur das nasse Gras hinuntergezogen und sich zum größten Teil auf dem schmalen Weg verteilt. Die Wäscherinnen würden darüber nicht begeistert sein. Dafür schien der Behälter den Leichnam getroffen zu haben, der sich jetzt herumgedreht hatte und mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken lag. Ich hörte die »Eh, il cazzo!«- Rufe , als die jungen Männer versuchten, die Weichteile des Leichnams zu treffen. Der Körper kam von seinem Hindernis los, rollte träge herum und trieb dann auf einmal weiter im Fluss, während das Wasser von den Wurfgeschossen um ihn herum aufspritzte. Er verschwand flussabwärts zwischen den mächtigen Brückenpfeilern hindurch. Der Druck um mich herum wurde leichter, als die meisten versuchten, dem Weg des Leichnams zu folgen. Der alte Pazzi mochte ein Verschwörer, ein Aufrührer und Meuchelmörder gewesen sein, der sein verdientes Ende gefunden hatte; ich war mir jedoch keineswegs sicher, ob diese Entwürdigung ebenfalls zu seinem verdienten Ende gehörte. Ich hatte den von Pazzi geplanten Mord mit angesehen, doch was sich von ihm am deutlichsten in mein Gedächtnis gebrannt hatte, war sein rücksichtsloser Ritt den Prato herauf gewesen. Es war schwierig, dieses Bild mit dem geschändeten Leichnam im Fluss in Einklang zu bringen. Man konnte nur hoffen, dass keiner der Angehörigen des alten Mannes gezwungen worden war, sich das Schauspiel anzusehen.
Ich wand mich aus der Menge heraus und stand meinem Schwiegersohn und Stepan Tredittore gegenüber.
»Ihr wart so weit vorn… Wir konnten nicht mehr zu Euch durchkommen«, stotterte Kleinschmidt.
»Ihr habt nichts versäumt.«
»Was war los?«
»Die Rache des Pöbels an Jacopo de’ Pazzi.«
Kleinschmidt verzog das Gesicht, während Tredittore neugierig an die Uferkante trat und hinunterblickte. Er rümpfte die Nase.
»Hier stinkt’s«, befand er.
»Wo Ihr steht, haben zwei Kerle gerade eben einen Eimer mit Kot hinuntergekippt«, sagte ich garstig. »Passt auf, sonst tretet Ihr noch hinein.«
Er zuckte zurück und examinierte die Sohlen seiner Schuhe. Ich ignorierte ihn und stapfte zur Brücke. Die Menschen verließen sie in beiden Richtungen und machten uns den Weg frei. Ich sah erhitzte Gesichter, aus denen das böse Lachen noch immer nicht geschwunden war, aber auch einige, die scheinbar verwundert über sich waren und die Steine fallen ließen, die sie immer noch in den Händen hielten. Ein ganzes Stück weiter schwamm der Körper des Toten mitten im Fluss, nurmehr ein undefinierbarer Umriss im Wasser, um den herum vereinzelte Fontänen aufspritzten. Es waren bedeutend weniger als noch bei der Brücke. Das Wehr beim Schindanger würde Jacopo de’ Pazzi aufhalten, und man würde ihn herausfischen und auf der jenseitigen Seite wieder in den Arno werfen: zuletzt ein Fraß für die Fische.
Der letzte Weg des alten Pazzi schien einen Bann gebrochen zu haben; die Florentiner verkrochen sich nicht wieder in ihren Häusern, sondern fanden sich in kleinen Gruppen zusammen und sprachen wie unter Zwang über die vergangenen beiden Tage. Während die Sonne ein großes Loch aus der einförmigen Wolkendecke herausschmolz und ihr spätes Nachmittagslicht plötzlich schräg zwischen die Häuser fiel, marschierten wir eine steil ansteigende, breite Gasse hinauf, an deren Seiten sich palazzi aneinander drängten wie eine schmuckvolle, hohe, ununterbrochene Mauer und schwere Schatten auf das Pflaster warfen. Kleinschmidt machte ein unglückliches Gesicht und umging die miteinander sprechenden Gruppen weiträumig; es wäre ihm sichtlich lieber gewesen, wenn die Gassen der Stadt weiterhin so verlassen gewesen wären wie am anderen Flussufer.
Schließlich blieb er stehen und sah Tredittore hinterher, der ein paar Schritte vorauslief. »Hier ist das Haus von Velluti«, sagte er. Tredittore trottete zurück und musterte
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