Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
als ich selbst zu Rudolf Gutswalter hielt. Ich fragte mich, ob er bemerkt hatte, dass ich ebenfalls jemandem auf den Fersen war. Von den kurzen Blicken, die ich riskieren konnte, wenn ich mich beim Abbiegen an einer Ecke umwandte, kam er mir wie einer vor, der zum allerersten Mal in seinem Leben jemanden verfolgte und sich darauf konzentrierte, sein Wild nicht aus den Augen zu verlieren. Wahrscheinlich sah Johann Kleinschmidt ebenfalls so aus, während er hinter Umberto Velluti herschlich. Sein Abstand war beinahe zu groß, und seine Schritte wurden stets schneller, wenn er mich um eine Ecke verschwinden sah. Dennoch gelang es mir nicht, ihn abzuschütteln, und ich fragte mich, was ich tun sollte.
Ich erhielt schon bald die Antwort: Ich hätte mich besser um den Mann gekümmert, den ich verfolgte. Ich bog um eine weitere Gasse und stand nur wenig oberhalb der eingerüsteten Kirchenfassade von Santa Trinità. Die breite Straße davor war in allen Richtungen einsehbar und mäßig belebt. Gutswalter war nirgends zu sehen. Ich hatte ihn aus den Augen verloren.
Er war nicht auf dem Ponte Santa Trinità; er marschierte nicht nach Norden auf den Dom zu. Er konnte in einen der vielen palazzi geschlüpft sein, die die Straße in nördlicher Richtung säumten, oder in eine der Gassen, die neben der Kirche in das Häusergewirr führten, das in Richtung zur Porta al Prato lag; oder er bewegte sich in einer der Parallelgassen zu der, in der ich stand, längst wieder dorthin, woher wir gekommen waren. Ich hatte mich zu sehr auf meinen Verfolger konzentriert, und meine Beute – hatte mich abgehängt.
Ich stolperte ein paar Schritte die Straße hinauf, und meine Fassungslosigkeit verwandelte sich in Wut. Ich hatte keine Ahnung, wie lang ihm schon klar gewesen sein mochte, dass ich hinter ihm dreinlief. Ich fluchte erbittert und presste mich in den Eingang des nächsten Hauses neben meinem Gassenausgang.
Schon nach wenigen Augenblicken kam der Mann mit der Lederschürze daraus hervor und sah sich ebenso suchend um wie ich. Ich dachte für einen kurzen Moment, dass es Leichtsinn war, was ich tat, doch meine Wut über mein Versagen war groß genug und der Verkehr um mich herum genügend dicht: Ich sprang aus meinem Versteck hervor und konfrontierte ihn.
Er prallte zurück. Er hatte ein verschlossenes Gesicht voller frischer und alter winziger Narben, als hätte eine Katze damit wie mit einem Wollknäuel gespielt. Seine Arme waren lang und seine Hände grob, und sein dunkelfleckiges Hemd unter der Lederschürze war staubig und an den Nähten so ausgefranst wie seine knöchellangen Hosen. An den Füßen trug er lächerlich neu aussehende, spitze Schuhe. Wir standen uns einen Moment gegenüber, er einen guten Kopf kleiner als ich, die Hände halb erhoben, und starrten uns an. Seine Oberlippe zog sich von den Zähnen zurück.
Ich knurrte: »Hoppla!«
Er zog den Kopf zwischen die Schultern und gab mir mit beiden Händen einen Stoß vor die Brust, dass ich dachte, vor den Rammbock einer Belagerungsmaschine geraten zu sein. Ehe ich mich versah, saß ich auf dem Boden, mit einem Ruck, der meine Zähne aufeinander schlagen ließ und mir die Luft aus den Lungen trieb. Er wartete nicht einmal so lange ab. In dem Moment, den es brauchte, bis sich meine Sicht wieder klärte, hatte er mir schon den Rücken gekehrt und floh in die Gasse zurück, aus der er gekommen war. Ich rappelte mich auf, halb benommen von meinem harten Fall, und taumelte ihm hinterher. Ich hörte seine Schritte und sah ihn um die Biegung der engen Gasse laufen; er dachte nicht einmal daran, sich in eine Seitengasse zu schlagen. Ich machte einen langen Schritt und keuchte, als der Schmerz in mein Kreuz fuhr. Plötzlich war ich dankbar, dass ich mich an eine Hauswand stützen konnte.
Ein paar Leute um mich herum blieben stehen und sahen mich an; einige grinsten, einige hatten die gespannt-erwartungsvollen Gesichter leidenschaftlicher Gaffer. Ich deutete in die Gasse hinein und machte den Mund auf.
Um den hohen Geschlechterturm des Hauses an der Ecke des Platzes herum schritten drei Männer mit Spießen und den glänzenden Helmen und Brustpanzern der Stadtwache. Sie sahen zu mir und meinem kleinen Zuschauerkreis herüber und blieben unwillkürlich stehen. Ich dachte daran, dass sie vermutlich noch immer nach mir suchten, ohne zutreffende Beschreibung und sicherlich ohne großen Elan, da sie darauf hoffen durften, dass Jana unter der Folter von allein plaudern würde, wer
Weitere Kostenlose Bücher