Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
er dich nicht kennen würde, könntest du hineingehen, dich in seine Nähe setzen und ihn belauschen.«
»Was wollt Ihr jetzt tun?«
»Ich überlege gerade. Jedenfalls bin ich neugierig, mit wem er sich hier trifft. Er muss ihn kurzfristig benachrichtigt haben -mit einer Brieftaube oder durch jemanden aus seinem Gesinde, der aus dem Hinterausgang seines Hauses hinauslief, während wir vorn Maulaffen feilhielten. Wer immer es ist, er weiß mehr als Velluti, sonst müsste dieser ihn nicht um Rat fragen.«
Kleinschmidt nickte langsam, ich hatte jedoch nicht den Eindruck, dass er mir hatte folgen können. Ich lehnte mich gegen die Mauer und versuchte, meine Ungeduld zu bekämpfen. Jede Minute, die untätig verstrich, weil ich nicht wusste, wie ich vorgehen sollte, bedeutete eine Minute näher zu Janas Hinrichtung. Kleinschmidt spähte nach einer Weile vorsichtig um die Ecke und inspizierte den Eingang zur Trinkstube.
»Er redet und redet«, sagte er nach einer Weile. »Mit einem Mann. Ich kann ihn nicht genau erkennen, weil er halb von der Mauer verborgen wird.« Er schwieg eine Weile. Ich sah, wie er die Augen zusammenkniff, und begann zu befürchten, dass er zu allen anderen Übeln auch noch kurzsichtiger war als ich. »Irgendwie kommt er mir bekannt vor…«
»Bekannt?« Ich schob ihn beiseite und versuchte, in das Fenster hineinzusehen. Das Licht spiegelte stark auf dem bucklig geblasenen Glas. Vellutis Seitenansicht war verzerrt wie das Gesicht eines Pantomimen; er war eher am Kranz seiner weißen Haare zu erkennen als an etwas anderem. »Ich sehe keinen zweiten Mann.«
»Er beugt sich nur ab und zu nach vorn, wenn er etwas erwidert. Ansonsten scheint er sich auf seiner Bank zurückzulehnen.«
Ich brummte und wollte mich schon abwenden, als Vellutis Gesprächspartner tatsächlich in Sicht kam. Velluti wies mit einer verzweifelten Geste zum Fenster hinaus, und er drehte den Kopf unwillkürlich in die gleiche Richtung. Ich zuckte zurück. Er konnte mich nicht gesehen haben, aber ich hatte ihn gesehen. Kleinschmidt hatte Recht: Er kannte ihn. Ich ebenfalls. Sein Name war Rudolf Gutswalter.
Als Umberto Velluti wieder aus der Trinkstube herauskam, sandte ich Kleinschmidt hinter ihm her. Er hatte eine Menge Einwände, die meisten davon gegen meine Idee, allein in Florenz herumzulaufen, und alle gipfelten im Schreckensszenario meiner Verhaftung. Schließlich gab er nach und schlich dem Architekten hinterher. Ich selbst hatte nach einem qualvollen Ringen entschieden, mich an die Fersen von Rudolf Gutswalter zu heften, in der Hoffnung, dass er nicht einfach zum Fondaco dei Tedeschi zurückmarschierte.
»Wenn Velluti nicht gleich nach Hause geht, merk dir die Stellen, die er aufgesucht hat«, raunte ich Kleinschmidt zu. Er nickte unglücklich. Ich sah ihm hinterher. Als er verschwunden war, hatte ich das Gefühl, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Ich kämpfte mit mir, ob ich ihm nachlaufen sollte, doch da trat Gutswalter aus der Tür und setzte sich sofort in Richtung Via Farsetta in Marsch. Ich folgte ihm zähneknirschend.
Er führte mich in Richtung Westen, wo sich der alte, römische Teil der Stadt befand. Es war schwierig, ihm zu folgen, obwohl er sich nicht umdrehte, denn es befanden sich noch immer kaum Menschen in den kleinen Seitengassen. Erst als wir die Via Farsetta kreuzten, wurde es belebter. Vielleicht hatten die überlebenden Pazzi ihren Spießrutenlauf nun hinter sich und wurden soeben aus einem der nördlichen Stadttore gestoßen. Wir bewegten uns durch die geschlossenen Stände auf dem alten Markt in eine breitere Gasse hinein, die geradewegs davon wegführte, und ich erkannte, dass wir vage in die Richtung zur Kirche Santa Trinità marschierten. Nach ein paar Schritten erkannte ich noch etwas anderes.
Ich wurde verfolgt.
Ich hatte ihn schon gesehen, als wir über den Ponte Vecchio gekommen waren: Es war der Mann mit der Lederschürze. Seither war er mir nicht mehr unter die Augen geraten, aber ich hatte mich auch nicht mehr sonderlich dafür interessiert, was hinter mir vorging. Für einen Augenblick erstarrte ich, dann ging ich weiter in der Hoffnung, dass er mein Zögern nicht bemerkt hatte. Seine Entdeckung hatte mir einen Schreck eingejagt, der durch nichts zu erklären war; vielleicht war es lediglich das Gefühl, vom Jäger zum Gejagten geworden zu sein.
Es war nicht leicht, sich auf ihn zu konzentrieren, ohne sich direkt umzudrehen. Er hielt großen Abstand, nicht weniger,
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