Duell auf offener Straße
Zeitpunkt hatte ihre Tochter keine Probleme mit Wasser. Die schlechte Erfahrung führte allerdings dazu, dass das Kind Angst bekam, sobald es ein Becken mit Wasser erblickte. Es assoziierte also das Wasserbecken mit der beängstigenden Situation. Oder anders ausgedrückt: Das Becken wurde zum ankündigenden Reiz für das Untergehen im Wasser.
Diese Angst bezog sie nicht nur auf das Schwimmbecken, in dem der Unfall geschehen war, sondern generalisierte sie auf alle Becken, die Wasser beinhalteten. Selbst der Versuch, sie in ein Planschbecken oder in eine Badewanne zu setzen, musste abgebrochen werden, weil das Baby schrie und darüber seine Angst ausdrückte. In den folgenden Wochen wurde sie deshalb nur noch geduscht. Um ihrem Kind wieder einen angstfreien Umgang mit Wasserbecken zu er-möglichen, entschied sich die Mutter für eine Systematische Desensibilisierung.
Sie setzte ihre Tochter ohne Wasser, aber mit Spielzeug in die Badewanne und spielte dort mit ihr. Nachdem das Kind entspannt war, baute sie den fließenden Wasserhahn in das Spiel ein. Erst nach und nach schloss sie den Abfluss und die Wanne füllte sich langsam, während sie mit ihrer Tochter spielte. Diese Aktion wiederholte sie mehrfach und die Angst ihres Kindes verschwand.
Die Systematische Desensibilisierung ist eine Methode aus der Verhaltenstherapie, die durch schrittweise Annäherung zum Abbau von Ängsten führt. Der Grundsatz der Verhaltenstherapie ist: Alles, was gelernt wurde, kann auch wieder verlernt werden. Die Methode der Desensibilisierung war in dieser Fallbeschreibung so erfolgreich, weil das Kind eindeutig unter einer Angst litt und diese gelernt wurde.
Angsttherapie
Seit einigen Jahren wird auch in der Hundeszene mehr und mehr mit Desensibilisierung gearbeitet. Zunächst beschränkte sich der Einsatz auf die Behandlung von ängstlichem Verhalten. Das ist verhaltenstherapeutisch immer dann nachvollziehbar, wenn die Angstreaktion wirklich durch eine Klassische Konditionierung gelernt wurde. Die Angst vor Schüssen und lauten Böllern gehört in der Regel nicht dazu, denn die meisten Hunde haben wirklich Angst davor und es handelt sich nicht um eine gelernte Fehlverknüpfung. Schließlich machen Gegenkonditionierungen auch bei Folter oder Vergewaltigungen keinen Sinn, wenn am Ende noch immer die Gewalttat steht. Befürchtungen und Erwartungen, es könnte etwas Schlimmes passieren, sollen aufgelöst werden. Dementsprechend dürfen sie auch nicht mehr vorkommen.
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Aber gehen wir davon aus, dass die Angst klassisch gelernt ist, und man möchte gegenkonditionieren. Eine direkte Neuverknüpfung ist meist nicht möglich, weil die Angstreaktion zu stark ist. Also nähert man sich dem Objekt der Angst auf weite Entfernung bis dorthin, wo der Hund den Reiz zwar wahrnimmt, aber noch keine Angst zeigt, und füttert ihn dort. So nähert man sich schrittweise dem Angst auslösenden Reiz. Sobald der Hund während der Annäherung eine Angstreaktion zeigt, die stärker ist als die Freude über das Futter, geht man wieder einen Schritt zurück bis an den Punkt, an dem er wieder frisst. Denn solange er Futter aufnehmen kann, hat er keine Angst. Um mit der Desensibilisierung gegen eine starke Gefühlsreaktion wie Angst zu konditionieren, ist es wichtig, dass die Angstreaktion vermieden wird und dadurch die neue Reaktion mehr Raum bekommt. Dies ist zunächst nur auf Abstand möglich, sonst würde die Angstreaktion überwiegen. Der Angst auslösende Reiz wird also durch die Distanz reduziert, das Futter dadurch als neuer Reiz brauchbar. Nach und nach wird die Freude über das Futter die Angst ablösen und der Hund kann sich angstfrei nähern. Diese Arbeit ist langwierig und der Angst auslösende Reiz darf nur unter kontrollierten Therapiebedingungen auftreten. Wenn Hunde im „echten Leben“ immer wieder auf diesen Reiz treffen und sich dies nicht vermeiden lässt, macht die Systematische Desensibilisierung keinen Sinn. Dafür gibt es andere Verfahren in der Angsttherapie.
Um gegen eine Angstreaktion zu konditionieren, braucht es zunächst Abstand zum Angst auslösenden Reiz.
Erst nach und nach verringert sich die Distanz und eine angstfreie Annäherung wird möglich.
Wenn Angst nicht das Motiv ist
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Angst ist nur ein Faktor für Aggression. Sie erinnern sich: Angst flieht, vermeidet und pöbelt selten lautstark an der Leine. Nun wird die schrittweise Annäherung in Verbindung mit Futter immer häufiger auch bei
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