Duell der Leidenschaft
Luft besser zirkulieren konnte. Ohne zu zögern trat Sonia ein.
Nach der prahlerischen Einrichtung dieses Zimmers zu urteilen, musste es Jean Pierres sein. Die Vermutung fand im Ankleidezimmer ihre Bestätigung, da über einer Stuhllehne jener Gehrock hing, den er zuvor am Tag getragen hatte. Es gab auch Hinweise darauf, dass er nach seiner Rückkehr schnell gebadet und sich umgezogen hatte, zudem lag sein Rasierzeug auf dem Waschtisch. Sie warf einen flüchtigen Blick darauf, da sie hoffte, etwas Tödlicheres zu finden als das Rasiermesser, doch sie konnte nichts Brauchbares entdecken.
Etwas Vertrautes lenkte ihren Blick zurück zum Rasierzeug. Halb hinter dem Seifenbecher versteckt lag Kerrs Taschenmesser. Wut kam in ihr auf, als sie darüber nachdachte, dass man es ihm abgenommen hatte. Mit zitternden Fingern griff sie danach und hob es hoch.
Das angenehme Gefühl des Elfenbeinhefts, die Erinnerungen daran, wie er die Klinge benutzt hatte, das Wissen, dass er es in der Hand gehalten hatte — das alles wirkte beruhigend auf sie. Fast kam es ihr vor, als strahle das Messer noch Kerrs Wärme aus, als habe er es so lange Zeit bei sich getragen, dass diese Wärme sich nicht so schnell verflüchtigen wollte. Sie öffnete das Messer und fuhr behutsam mit einem Finger über die Klinge.
Aus dem Nebenraum waren Schritte zu hören. Vermutlich handelte es sich um den Kammerdiener, der gekommen war, um das Bett für die Nacht vorzubereiten. Seine nächste Aufgabe würde es sein, im Ankleidezimmer die Ordnung wiederherzustellen. Also blieb ihr keine Zeit für eine gründ-lichere Suche. Mit dem Messer in der Hand schlich sie zur Doppeltür und kehrte zurück auf die Galerie.
Die Treppe zum Innenhof befand sich am anderen Ende der Galerie, also ging sie in diese Richtung, blieb aber oben an der Treppe stehen. Aus dem Parterre kam ihr ein Dienstmädchen mit langem schwarzem Zopf und großen Augen entgegen, das ein Tablett mit einer silbernen Wasserkanne nach oben trug. Etwas von dem Wasser schwappte über, als die junge Frau einen Schritt zur Seite machte. Sonia lächelte und wünschte ihr mit leiser Stimme einen guten Abend, als sie an ihr vorbeiging. Auf dem Weg nach unten hielt sie sich mit der freien Hand am Geländer fest und machte ein trauriges Gesicht, als habe sie sich schweren Herzens in ihr wie auch immer geartetes Schicksal gefügt.
Unten an der Treppe brannte eine Fackel. Das einzige andere Licht fiel durch die offene Küchentür nach draußen auf den Hof, während die Kerzen in den Zimmern im ersten Stock zu schwach waren, um die Nacht zu erhellen. Die Galerie im Parterre lag in tiefem Schatten. Unter den Duft der Blumen mischte sich das Aroma von geröstetem Fleisch und gebratenem Gemüse. Irgendwo gurrte eine Taube, das Wasser im Brunnen plätscherte leise. Eine Katze kam aus der Küche geschlichen und blieb am Brunnen stehen, um etwas von dem Wasser zu trinken, das über den Beckenrand gelaufen war. Sonst war in der Dunkelheit keine Bewegung auszumachen.
Sonia machte einen Bogen um die Küchentür und ging hinüber zur Galerie, die sich jenseits der Küche erstreckte. Vor ihr lagen die drei Türen, die ihr früher am Tag aufgefallen waren. Jede der Türen war aus massivem Holz, versehen mit schweren schmiedeeisernen Scharnieren und Vorhängeschlössern. Aus keinem der Lagerräume war ein Geräusch zu hören, als sie vorbeiging, doch am Ende des Gebäudes stutzte sie und drehte sich um. Etwas an der letzten Tür war anders gewesen. Sie ging zurück und blieb davor stehen. Diese Tür war als einzige zusätzlich mit einem Eisenriegel gesichert. Sonia beugte sich vor und lauschte, konnte aber nichts hören. Sie hob ihre Hand und wollte soeben anklopfen, um zu sehen, ob ...
»Begutachten Sie Ihr neues Reich, chere ? Vielleicht kann ich mich als Führer nützlich machen.«
Sonia wirbelte herum und sah, dass Jean Pierre diese ironischen Worte gesagt hatte. Er stand auf dem Absatz einer Dienstbotentreppe, die in der Ecke verborgen war, und kam langsam nach unten. Jeder seiner Schritte wirkte so, als wollte Jean Pierre ihr Angst machen.
»Sie haben mich erschreckt. Ich habe Sie dort nicht gesehen.« Mit ihren weiten Röcken tarnte sie ihre Hand, damit sie das aufgeklappte Messer in der Tasche verschwinden lassen konnte, die an ihrer Taille hing. Dann hob sie ihre Hand und legte sie an ihr Mieder, um zu versuchen, den harten, unregelmäßigen Schlag ihres Herzens zu beruhigen.
»Sonst wären Sie sicher sofort
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