Duell der Leidenschaft
würde das noch anhalten?
»Du bist schon einige Tage hier«, sagte sie schließlich zu ihrer Tante. »Hast du dich im Haus umgesehen? Kannst du dir vorstellen, wo man einen Gefangenen unterbringen könnte? «
»Ich bin im Innenhof herumspaziert, und auf den Galerien ging ich von einem Zimmer zum nächsten.« Tante Lily hielt inne und dachte konzentriert nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, da habe ich keine Idee. Es ist ein Haus wie jedes andere, das in einer Region mit tropischem Klima steht. Küche, Waschküche und die Unterkünfte des Dienstpersonals befinden sich im Erdgeschoss, und die Familie hat ihre Zimmer im ersten Stockwerk, weil dort die Luft besser ist. Diese Räumlichkeiten kommen zwangsläufig nicht infrage, weil sie zu vielen Türen und Fenster haben. Vorstellen könnte ich mir nur einen der Lagerräume nahe der Küche. Du weißt, in New Orleans werden diese Räume manchmal benutzt, um diejenigen einzusperren, die dem Wahnsinn verfallen oder mit einem Mal brutal werden.«
Sonia nickte. Trotz der vor ihnen liegenden Schwierigkeiten keimte Hoffnung in ihr auf. »Wenn er dort ist, dann hat man die Tür verriegelt.«
»Das würde ich auch sagen. Und sie könnte auch noch bewacht werden.«
»Hat Jean Pierre noch andere Gäste außer dir und Monsieur Tremont?«
»Du meinst weitere Passagiere von der Lime Rock ? Nein, nur wir sind noch in Vera Cruz. Madame Pradat und ihr Sohn, Reverend Smythe und die anderen machten sich sofort auf ihren Weg, nachdem alles arrangiert war.«
»Was ist mit dem Dienstpersonal? Wie zahlreich ist es?« Ihr schien es ratsam, das zu wissen, damit sie wusste, wo sich jeder aufhielt, sollte das notwendig werden.
»Die Köchin und ihre Helfer, außerdem der Kammerdiener für Jean Pierre, einige Dienstmädchen fürs Saubermachen und Aufräumen, ein Mann mit seinen Helfern, die den Innenhof in Ordnung halten. Insgesamt vielleicht acht oder neun Leute, dazu ein halbes Dutzend Männer, die Monsieur Rouillard gern als seine Hauswache bezeichnet. Weil es unruhige Zeiten sind, haben in Vera Cruz viele eine solche Wache, vor allem diejenigen, die sich hervortun möchten. Dein Verlobter hat mehr von einem spanischen Grande angenommen als diejenigen, die ein Recht auf diesen Titel haben.«
Rund vierzehn Bedienstete waren eine große Zahl, wenn man ihnen allen aus dem Weg gehen wollte. Zumindest traf das zu, bis sie genau wusste, wohin sie musste und was sie dort tun würde.
Sie stand vom Bett auf, ging im Zimmer auf und ab und trat gereizt gegen ihre steifen Röcke, von denen sie sich eingeengt fühlte, nachdem sie ein paar Tage lang von ihnen befreit gewesen war. Noch mehr widerte sie aber an, dass ihr die Hände gebunden waren, weil Männer ihr ständig Vorschriften machten. Ihr Vater, Kerr und jetzt auch noch Jean Pierre — das war einfach zu viel. Ganz gleich, wie gut die Absichten dahinter waren, der sich daraus ergebende Verlust ihrer Freiheit, selbst über ihr Leben zu bestimmen, machte sie rasend vor Wut.
Sie war gefangen.
Sie saß in einem Gefängnis, das aus Wänden und Verpflichtungen und auch aus Schulden bestand. Kerr hatte sie nicht zurückgelassen, als die Lime Rock unterging, und er war auf dem Marsch durch den Dschungel immer bei ihr geblieben, obwohl er allein viel schneller vorangekommen wäre. Selbst wenn ihr die Flucht gelang, wie hätte sie ihn jetzt im Stich lassen können?
Sie würde sich nicht unterwerfen. Sie würde nicht einen Moment länger als unbedingt nötig in diesem Haus bleiben, und sie würde nicht heiraten. Zunächst aber musste sie dafür sorgen, dass Kerr nicht zum Leidtragenden ihrer Entscheidung wurde.
Irgendwie musste sie Kerr befreien.
Der Tag verstrich allmählich, und Sonia verbrachte ihn zum Teil damit, herauszufinden, wie frei sie sich bewegen konnte. Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden, dass sie ihr Schlafzimmer verließ und sie sich im Salon, im Esszimmer oder in den anderen Schlafzimmern umsah. Sie schlenderte auch über die Galerien und ging nach unten in den Innenhof, wo sie sich in den Schatten setzte, ihre Finger in den Brunnen tauchte und an den duftenden Blumen roch.
Auch die Küche stand ihr offen, und die Köchin ermunterte sie sogar dazu, Gerichte vorzuschlagen, die sie am Nachmittag gern probieren würde. Um den langen Tisch in der Küche drängten sich zu viele Männer, die viel zu wenig zu tun hatten. Es waren raue Gesellen mit langen Schnauzbärten, die jeder ein Messer unter den Gürtel geschoben hatten.
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