Duell der Leidenschaft
hast. Mademoiselle Bonneval wirkt auf mich wie eine Lady, die ihren eigenen Willen hat. Sie wirst du nicht wie ein Pferd an einer Stelle festbinden und erwarten, dass es sich bis zu deiner Rückkehr nicht von der Stelle gerührt hat.«
»Ich bin dir für diese weise Erkenntnis dankbar, da ich von selbst niemals auf eine solche Idee gekommen wäre.«
»Oh, ich zweifle nicht daran, dass du auf alles gefasst bist. Das Problem ist nur, die Lady ist ihrerseits zu allem bereit, und sie scheint über ihr Schicksal nicht sehr glücklich zu sein. Wenn du und ihr Vater einmal nicht hinsehen, wird sie auf und davon sein.«
Kerr verspürte ein Kribbeln im Nacken, dann lief ihm ein Schauer über den Rücken. Soeben hatte Christien das in Worte gefasst, worüber er selbst bereits die ganze Zeit nachgedacht hatte. Das war genau das gewesen, was ihn an Sonia Bonneval an diesem Abend so gestört hatte: ihre Stimmung, ihre gefasste Art, wie sie nach der ersten Überraschung die Nachricht von der bevorstehenden Abfahrt der Lime Rock aufnahm.
Sie hatte gar nicht vor, an Bord zu sein, wenn das Schiff ablegte. Sie wollte vor der Hochzeit und vor ihm davonlaufen.
Die Stuhlbeine schabten über den Steinboden, als Kerr plötzlich aufsprang. Aus seiner Hosentasche zog er einige Münzen, warf sie auf den Tisch und wandte sich zum Gehen.
»Augenblick, wohin willst du denn?«, rief Christien ihm nach.
»Nach meiner Schutzbefohlenen sehen«, antwortete er über die Schulter hinweg.
»Du hast sie vor uns den Ball verlassen sehen. Sie wird längst im Bett liegen.«
»Davon will ich mich ja überzeugen.«
Hinter ihm murmelte Christien irgendetwas, aber Kerr machte sich nicht die Mühe nachzufragen. Er glaubte allerdings etwas in der Art gehört zu haben, dass Götter was zu lachen hatten.
Stunden später ging ihm die Unterhaltung in der Kneipe immer noch durch den Kopf, als er sich gegenüber dem Stadthaus der Bonnevals an die Hauswand lehnte. Durch das Gespräch mit Christien war er auf die richtige Fährte gebracht worden. Er war sich so sicher gewesen, dass Mademoiselle Bonneval sich absetzen wollte und sie ihre Siebensachen packte, um sich aus dem Haus zu schleichen und bei einer Freundin oder einer Verwandten Unterschlupf zu finden. Zumindest hatte er das geglaubt.
Jetzt war er sich da längst nicht mehr so sicher. Die Nacht war fast vorüber, und er stand immer noch da und beobachtete wie ein liebeskranker Dummkopf ihr Fenster. Jetzt fehlte ihm nur noch eine Gitarre, und er hätte in bester kreolischer Manier ein Lied anstimmen können wie jemand, der um seine Geliebte warb. Allerdings konnte ihm so etwas nicht widerfahren, da er nicht in der Lage war, eine Melodie zu halten. Vielleicht hätte er sich dennoch besser eine Mundorgel oder Geige beschafft, damit er eine Ausrede hatte, wenn die Gendarmen das nächste Mal auf ihrer Runde bei ihm vorbeikamen.
Würde er nur einen Funken Verstand besitzen, dann hätte er sich in seine Räumlichkeiten über dem Salon begeben, um etwas Schlaf zu bekommen. Noch eine Stunde, und dann würde er genau das machen. Bis dahin war der neue Tag angebrochen, und es war zweifelhaft, dass sie dann noch die Flucht antreten würde.
Womöglich war das aber ohnehin nie ihre Absicht gewesen. An wen sollte sie sich auch wenden? Wer würde sie bei sich aufnehmen, wenn er wusste, er würde es mit Monsieur Bonneval zu tun bekommen?
Was war ihr Vater doch für ein altmodischer Kerl. Es war schon schlimm genug, sie mit einem Mann zu verheiraten, den sie kaum kannte, aber er musste sie auch noch unmittelbar vor dem Ausbruch eines Kriegs in ein fremdes Land schicken. Alles Mögliche konnte ihr zustoßen. Armeen waren dafür bekannt, mit Zivilisten nicht allzu freundlich umzuspringen, wenn die ihnen in die Quere kamen - erst recht nicht mit solchen, die aus dem Land des Gegners kamen. Und Sonia mit Rouillard zu verheiraten stellte ein weiteres Risiko dar. Wer wusste schon, wie er eine Frau behandeln würde? Seine Frau saß bei ihm in der Falle und konnte sich an niemanden wenden, der ihr helfen würde, sollte sich ihr Gemahl von seiner brutalen Seite zeigen.
Allerdings war nicht anzunehmen, dass es überhaupt dazu kommen würde. Ginge es nach Kerr, dann wäre die Ehe vorüber, noch bevor sie geschlossen worden war — und sein Entschluss stand fest, dass es nach ihm ging.
Zu schade, dass er ihr nicht sagen konnte, sie müsse sich keine Sorge machen, weil sie noch vor der Hochzeitsnacht Witwe sein würde. Das
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