Duell der Leidenschaft
nicht Umständen ausgeliefert, über die Sie keine Kontrolle haben.«
»Keiner von uns ist so frei, wie Sie zu denken scheinen. Jeder von uns ist den Umständen ausgeliefert, über die wir keine Kontrolle haben. Manchmal wirken sich diese Umstände zu unseren Gunsten aus, manchmal nicht.«
»Ach ja? Dann wurden Sie also gezwungen, nach Mexiko zu segeln?«
»So wie Sie auch.«
»Des Geldes wegen.«
»Falsch. Ich schwor ...« Er unterbrach sich mitten im Satz. »Aber wir sprachen über Sie. Sie allein durch die Straßen ziehen zu lassen ist das Gleiche, als würde man ein Lamm vor einem schlafenden Wolf festbinden. Außerdem
- woher wollen Sie wissen, dass Sie es hassen werden, verheiratet zu werden? Vielleicht wird Ihnen die Berührung durch einen Ehemann gefallen.«
Sie hätte wissen müssen, dass er das Thema nur von dieser Seite her betrachten würde. Sie wollte aber nicht länger die schüchterne Jungfrau spielen, obwohl sie bis zum Haaransatz rot wurde. »Mir könnte davon auch schlecht werden.«
»Hat Ihnen noch nie ein Mann einen Kuss geraubt? Wenn Ihnen ein Kuss gefiel, spricht viel dafür, dass Sie den nächsten auch mögen werden.«
Die Logik seines Arguments war überzeugend, doch das würde sie ihm gegenüber nicht zugeben. »Ich denke, das dürfte von dem jeweiligen Mann abhängen.«
»Wie kommen Sie darauf?«
Der Klang seiner Stimme und ihr tiefes Vibrieren bahnten sich einen Weg in ihr Innerstes und ließen ein verlangendes
Echo widerhallen, das sich wie in Wellen bis in jede Faser ihres Körpers ausbreitete. Es war zu gefährlich, hierzubleiben, wenn er so dicht über ihr war. Seine Nähe, diese männliche Kraft schien ihr alle Stärke zu entziehen und machte sie auf eine sonderbare Weise verwundbar. Zugleich aber fiel sie einem unerbittlichen Verlangen anheim, dem Schicksal ebenso zu trotzen wie ihrem Vater und allem anderen, was sie je gewusst hatte.
»Von manchen Menschen fühlt man sich angezogen«, erklärte sie, hatte aber das Gefühl, ihre Kehle sei zugeschnürt. »Bei anderen zeigt sich kaum eine Reaktion, und von wieder anderen fühlt man sich ohne Grund abgestoßen.«
Er lachte kurz auf. »Da muss ich Ihnen zustimmen.«
»Aber natürlich kann ich mich auch irren, und Sie haben recht. Es könnte sein, dass der Kuss eines jeden Mannes das Vorspiel ist zu ... zu einer Art von Liebe.«
»Eine Art von Liebe?«
»Uns Frauen wird gesagt, dass wir mit der Zeit unserem Ehemann gegenüber Zuneigung zu empfinden beginnen, ganz gleich, wie wir anfangs für ihn empfinden. Es heißt, die Zuneigung wird stärker, je besser man sich gegenseitig kennenlernt.«
»Und daran glauben Sie nicht?«
»Sie etwa? «
»Es klingt vernünftig.«
Skepsis schwang in ihrer Stimme mit, während er weiter über sie gebeugt dastand. Sie vermied es, ihm im schwachen Schein der Achterlaterne in die Augen zu sehen. »Wenn ich mir dessen gewiss sein könnte ...«
»Sie brauchen einen Beweis.«
»Wenn ... wenn Sie bereit wären, mir diesen Beweis zu liefern ...«
Bei den letzten Worten stockte ihr der Atem, da ihr eigener Wagemut sie verblüffte. Wie sonderbar dieser Moment doch war — inmitten der grauen Nacht, während das
Schiff sich leicht in der Strömung wiegte und die Schatten der Takelage über das Deck hin und her wanderten. Nebel hing in der Luft, der vom Fluss aufstieg und über das Schiff trieb. Inmitten dieser Umgebung erschien ihr der Mann nicht mehr ganz so existent, mehr wie einem Traum entsprungen. Vielleicht würde sie jeden Moment aufwachen und feststellen, dass sie die Kabine und ihre schnarchende Tante gar nicht verlassen und damit die Gelegenheit verpasst hatte, vom Schiff zu entkommen.
Kerr Wallace beugte sich ein klein wenig zurück, sein Gesicht verriet keine Regung. Dann ließ er den Kopf nach vorn sinken. »Dazu wäre ich bereit«, flüsterte er.
Die Worte trieben wie ein warmer Wind über ihre Lippen und ließen sie mit einem Kribbeln erwachen. Die erste Berührung durch seinen Mund war behutsam, nicht mehr als eine flüchtige Erkundung ihrer Lippen. Die nächste war süßlich und schmeckte zugleich so berauschend, dass sie lautlos ausatmete. Sein fester und zugleich sanfter Mund, der sich durch die Bartstoppeln ringsum auch ein wenig rau anfühlte, sorgte dafür, dass Sonia schwindelig wurde und nach seinem Gehrock griff, um sich an dem Stoff festzuklammern. Kerr atmete hastig ein, vielleicht bedingt durch ihre Kühnheit. Noch bevor er seine Lippen fest auf die ihren
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