Duell der Leidenschaft
verhärtete sich, als er sich wieder dem Mann zuwandte, den er mit seiner Klinge in Schach hielt. »Entschuldige dich bei der Lady.«
Der Seemann spuckte auf das Deck und konterte mit einem trotzigen Gesichtsausdruck.
So als würde er nach einer Fliege schlagen, machte der maitre d’armes eine lässige Handbewegung. Im nächsten Augenblick zeichnete sich unterhalb des Kiefers des anderen Mannes ein feiner roter Streifen ab. »Entschuldige dich«, forderte Kerr ihn nochmals in sanftem Tonfall auf.
»O Gott, Mann!« Sonias Angreifer wischte sich über den Hals und betrachtete ungläubig das Blut an seinen Fingern.
»Wie viele Schnitte sind nötig, bis du erklärst, dass du ein Bastard bist, der nicht würdig ist, eine Lady anzufassen?«
»Sie wollt’s Schiff verlassn. Sie ham mir gesacht, ich soll auf sie aufpassn.«
»Und ich war zeitig hier, um sie daran zu hindern. Hast du vergessen, dass ich auch Wachdienst habe? Oder dachtest du, ich würde mit dir teilen?«
»Teiln wär jetzt immer noch möglich.«
Wieder holte Kerr mit seiner Klinge aus, abermals so schnell, dass die feine rote Linie am Kiefer des Mannes wie durch Magie zu entstehen schien. »Entschuldige dich. Bei ihr und bei mir.«
Der Seemann stand da, blass im Gesicht und mit einem mörderischen Ausdruck in den Augen, während er schnaubend durch die Nase atmete und das Blut auf sein verdrecktes Hemd tropfte. Dann kehrte sein Blick zurück zu der Spitze des Degens unmittelbar vor ihm. Die Klinge zuckte hin und her und sank in Richtung Deck.
»Tschuldigung«, murmelte der Seemann.
Kerr deutete auf die Reling. »Rüber mit dir.«
»Was? Nein, nein, Augenblick mal.«
»Sofort.«
»Ich kann nicht schwimmen.«
»Dann solltest du es besser schnell lernen.«
»Meine Güte, Mann! Sie is doch bloß ’n Weibsbild!«
Sonia kniff die Augen zusammen, als sie sah, wie die Degenspitze ein weiteres Mal zuckte und der Mann heiser aufschrie. Im nächsten Moment waren hastige Schritte zu hören, und nach einer kurzen Pause konnte sie vernehmen, wie der Mann im Wasser landete.
Als sie schließlich wagte, die Augen wieder zu öffnen, sah sie Kerr, wie der mit einem weißen Leinentuch die Spitze seiner Klinge abwischte, kurz innehielt und ihr einen wütenden Blick zuwarf. Dann steckte er den Degen zurück in den Malakkaspazierstock, der wie eine Scheide gearbeitet war. Mit finsterer Miene und bedrohlicher Körperhaltung kam er näher.
Sonias Magen, nein, ihr ganzer Körper verkrampfte sich einen Moment lang, dann wich sie gegen ihren Willen einen Schritt zurück. Zorn regte sich in ihr und formte sich zu einem einzigen, fast unverständlichen Ausruf: »Schlafen Sie eigentlich nie?«
»Ich werde schlafen, wenn wir auf See sind und Sie mir nicht weglaufen können«, erwiderte er grimmig. »Besitzen Sie eigentlich gar keinen Funken Verstand? Können Sie sich nicht ausmalen, was Ihnen alles passieren kann, wenn Sie nachts allein umherschleichen?«
»Ich muss es mir erst gar nicht mehr ausmalen.« Sie bewegte sich so, als wollte sie sich von dem Schott in ihrem Rücken abstoßen.
Wieder kam er etwas näher, um ihr den Weg zu versperren. Dabei legte er seine große Hand gleich neben Sonias Kopf auf das Holz. »Und doch wollen Sie weiterhin riskieren, für eine Dirne gehalten zu werden.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wie unwichtig das ist? Ob ich nun von einem Seemann angegriffen werde oder von einem Ehemann, der für mich ebenso ein Fremder ist?«
»Zum einen würden Sie im letzteren Fall überleben«, gab er schroff zurück und beugte sich noch etwas mehr zu ihr herunter. »Und zum anderen würden Sie nicht angegriffen, sondern behutsam zu Bett getragen.«
»Behutsam?«, wiederholte sie mit einem abfälligen Lachen.
»Es sollte in nichts mit dem vergleichbar sein, was sich hier beinahe abgespielt hätte.«
»Und das soll ich Ihnen glauben?«
»Nicht alle Männer sind gleich.«
»Das stimmt! Einige sind sogar noch schlimmer.«
»Aber einige sind auch zärtlicher.«
»Ihre Worte machen mir klar, dass Sie Jean Pierre Rouillard nie begegnet sind.«
»Dieses Vergnügen hatte ich tatsächlich noch nicht«, sagte er mit ernster Stimme und sein Blick war verhärtet. »Und Sie kennen ihn nicht als Ehemann.«
»Sie verstehen nicht.« Ihre Stimme klang angestrengt, da sie ihre Verzweiflung zu unterdrücken versuchte. »Sie sind ein Mann, Sie sind frei. Niemand wird Sie jemals zu einer Heirat zwingen. Sie müssen sich nach niemandem richten, und Sie sind
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