Duell der Leidenschaft
drückte, spürte sie den kühlen Luftzug, als er einatmete.
Für ein Experiment hatte sie das hier gehalten, mit dem sie seine Schlussfolgerungen über sie und über ihre Ehe widerlegen wollte. Ein Aufbegehren gegen die albernen Überzeugungen der Gesellschaft, die zu diesen arrangierten Ehen stand. Mehr hatte sie nicht bekommen wollen.
Eine solch berauschende Faszination hatte sie ebenso wenig erwartet wie ihre instinktive Reaktion auf ein tiefes Verlangen. Ein Teil von ihr war fassungslos und ungläubig, während ein anderer den Kuss so genoss wie einen Becher heiße, süße Schokolade am Morgen — der Teil, der nach dem köstlichen Anreiz strebte, nach dem erwachenden Ver-sprechen einer erhabenen Hingabe und der absoluten Erfüllung.
Er ließ den Stockdegen fallen, sie hörte, wie er scheppernd auf dem Deck landete und davonrollte. Seine Hände legten sich auf ihre Arme, um sie an sich zu ziehen, dann ließ er sie über ihren Rücken streichen. Blindlings drückte sie sich gegen ihn, spürte die Knöpfe seiner Weste zwischen ihren Brüsten, die Kette seiner Taschenuhr ein Stück darunter. Er umgab und beschützte sie mit seiner ihm innewohnenden Kraft. Er gab ihr Sicherheit.
Sie wollte sich ergeben und vergessen. Vor allem wollte sie vergessen. Dieser unstillbare Hunger stieg in ihr auf und legte sich mit solcher Gewalt um ihr Herz, dass ein leises gequältes Stöhnen ihrer Kehle entstieg.
Plötzlich löste er seinen Mund von ihrem, flüsterte einen wüsten Fluch und trat einen Schritt zurück.
Sonia schwankte sekundenlang, da ihr sein Halt zu abrupt entzogen worden war und sie zu schnell in die Wirklichkeit zurückkehren musste. Er streckte eine Hand aus, um sie zu stützen, doch da hatte sie ihr Gleichgewicht bereits wiedergefunden und tat so, als würde sie seine Hand gar nicht sehen.
»Das war ...«, begann er, musste aber gleich wieder innehalten, da ihm die Worte fehlten.
»Unklug? Gefährlich?«
Ihre brennenden Blicke trafen sich, dann schaute er weg. »Sowohl als auch. Sie sollten besser wieder unter Deck gehen, bevor man Sie sieht. Ehe man Sie vermisst.«
Es war eine Empfehlung, kein Befehl. Er musste so verwirrt sein wie sie selbst, überlegte Sonia. Das war immerhin ein gewisser Trost. Sie atmete einmal tief durch. »Ja. Sie haben völlig recht. Und vielleicht haben Sie auch recht, was das Thema Ehemänner angeht. Wäre das nicht eine Posse?«
Sie bekam nicht mit, was er erwiderte, da sie nicht auf seine Antwort wartete. Stattdessen umgab sie sich mit ihrer Würde wie mit einem weiten Umhang, drehte sich von Kerr weg und kehrte zurück in die geschützte, sichere Umgebung ihrer Kabine.
Achtes Kapitel
Kerr sah der Lady hinterher, wie sie über die dunkle Treppe nach unten verschwand. Es war seine Pflicht, aber es war ihm auch ein Vergnügen. Und abgesehen davon, hätte er nicht einmal dann wegsehen können, wenn sein Leben davon abgehangen hätte.
Sie hatte ihn überrumpelt. Gerade noch glaubte er zu wissen, woran er bei ihr war, da ließ sie abermals eine andere Seite von sich zum Vorschein kommen.
Diesmal fürchtete er, er könnte zu weit gegangen sein. In ihren Augen hatte er den Wunsch nach Vergeltung bemerkt. Ob dieser Wunsch den Kuss und ihre Reaktion darauf betraf oder seine Rolle dabei, sie wie eine Gefangene zu halten, vermochte er nicht einzuschätzen.
Er fuhr sich durchs Haar und legte eine Hand in den Nacken, während er zum Himmel schaute und den Herrn bat, ihm Kraft zu geben. Er wusste, er würde diese Kraft dringend benötigen.
Das Geräusch seines über das Deck rollenden Stockdegens holte ihn plötzlich aus seinen Gedanken. Er bückte sich und hob ihn auf, dann ging er zum Achterschiff, das in den Fluss hinausragte. Seine schweren Schritte waren auf den dicken Planken wie Donnerschläge. Über ihm bewegte sich die Takelage knarrend im nächtlichen Wind, und ein Pelikan, der sich an seinem Schlafplatz auf einer Traverse in seiner Ruhe gestört fühlte, fuhr ihn krächzend an. Hoch oben am schwarzen Nachthimmel zog der Mond vorüber und scherte sich nicht um die unbedeutenden Probleme Sterblicher.
Was war nur los mit ihm? Hatte er all seine Prinzipien über Bord geworfen und mit ihnen jeden Rest an Urteilsvermögen? Hatte er in den letzten Nächten seit Annahme dieses Auftrags so wenig Schlaf bekommen, dass sein Verstand aussetzte? Oder lag es an Sonia Bonneval selbst, dass ihn alle Vernunft verließ?
Welcher Teufel hatte ihn geritten, dass er auf die Idee kam, sich
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