Duell der Leidenschaft
Es waren Kisten und Kartons von ungewöhnlicher Größe, die da an Bord gebracht wurden.«
Kerr nickte bestätigend. »Das Gleiche fiel mir auch auf.«
»Das dachte ich mir schon, da ich Sie am Heck stehen sah. Was halten Sie davon?«
»Was war es?«, wollte Sonia wissen. »Was haben sie verladen?«
Kerr entging nicht, dass sie dabei zwischen ihm und Tremont hin und her blickte. Da der andere Mann das Thema in Sonias Gegenwart angeschnitten hatte, erschien es ihm sinnlos, nun um den heißen Brei herumzureden, auch wenn man solche Dinge eigentlich nicht diskutierte, wenn Ladys zugegen waren.
»Waffen«, antwortete er. »Jedenfalls hielt ich es für Kisten mit Gewehren und Munition.«
»Aber das würde ja bedeuten ...« Sonia stutzte und hielt inne.
»Entweder will jemand damit eine große Jagdgesellschaft ausstatten, oder aber wir haben es mit einer Waffenlieferung an die Mexikaner zu tun.«
»Wer würde denn so etwas tun?« Ihre Stimme war leise, den Blick hatte sie nach vorn gerichtet, sodass man ihr nicht ms Gesicht sehen konnte.
Kerr fragte sich, was sie wohl überlegte und ob sie vielleicht den Verdacht hatte, in den Transport könnte jemand verstrickt sein, den sie kannte. Zum Beispiel jemand wie Rouillard.
»Irgendein Schurke, für den Gold schwerer wiegt als Skrupel, würde ich sagen.« Er zuckte mit den Schultern. “Natürlich ist es nicht verboten, schließlich befinden wir uns nicht im Krieg.«
»Eine reine Formsache«, erklärte Tremont. »Der Moment der Kriegserklärung wird kommen.«
»Das sehe ich auch so.«
Tremont tippte sich an die Stirn. »Ich schätze, der Captain könnte darin verwickelt sein.«
»Um sich auf der Reise noch etwas dazuzuverdienen, meinen Sie? Das wäre denkbar.« Captain Frazier erweckte den Eindruck eines aufrechten Quäkers aus New England, er war schlicht gekleidet, machte stets eine ernste Miene und trug einen Backenbart, der wie Baumwollflocken auf seinen Wangen wirkte. Um nicht eitel zu erscheinen, schnitt er den Bart nicht. Doch das hatte alles nichts zu bedeuten. Schon mancher hatte sich vom Aussehen eines Menschen täuschen lassen, und es würde auch immer wieder passieren. »Aber die Fracht könnte auch dem amerikanischen Regierungskommissar gehören, den wir an Bord haben.«
»Als Friedensangebot von unserer Regierung, meinen Sie? Oder als Bestechung, damit sich derjenige anständig verhält, der Präsident dieses Landes sein wird, wenn wir dort eintreffen.«
Kerr nickte und verstand Letzteres als Anspielung auf die häufigen Wechsel in diesem höchsten Amt. Einer der beunruhigendsten Präsidenten war General Santa Ana gewesen, der Mann, der seinerzeit die Erschießung der Gefangenen der Mier-Expedition anordnete und der zehn Jahre zuvor auch für das berüchtigte Massaker bei Alamo verantwortlich gewesen war. Mindestens zweimal hatte er das Amt bereits innegehabt, und er trug sich mit dem Gedanken, es schon bald wieder bekleiden zu können.
»Könnten die Waffen nicht zu ihrem Schutz bestimmt sein?«, gab Sonia zu bedenken.
»Sie haben diese Kisten nicht gesehen, Mademoiselle«, entgegnete er.
»Bedauerlicherweise nicht«, sagte sie spitz. »Ich war anderweitig beschäftigt.«
Sie sprach nicht aus, dass er sie in ihre Kabine geschickt
hatte.
»Genau«, stimmte Kerr ihr in ernstem Tonfall zu.
Ihr Ausruf als Erwiderung war zwar leise, aber heftig. Im gleichen Moment glitt ihr das Buch aus der Hand und rutschte über ihre glockenförmigen Röcke nach unten, ehe es aufgeschlagen auf dem Deck landete und der Wind die Seiten umblätterte.
Tremont griff zuerst nach dem Buch. Als er sich bückte, um es aufzuheben, ging sein Gehrock auf, und durch das Futter hindurch zeichneten sich die Konturen einer kleinen Pistole ab. Ein Gentleman führte oft eine solche Waffe bei sich, aber üblicherweise nur aus bestimmten Anlässen, zum Beispiel als Schutz in der Nacht oder wenn er einen größeren Geldbetrag bei sich trug. Möglicherweise war diese Reise Grund genug für eine solche Maßnahme, dennoch würde Kerr sich seine Beobachtung merken.
Er wollte dem Plantagenbesitzer das Buch aus der Hand reißen. So pervers es auch sein mochte, widerstrebte es ihm, dass Tremont derjenige sein sollte, der es ihr zurückgeben würde, hegte er doch den Verdacht, dass Sonia es absichtlich hatte fallen lassen. Immerhin betraf dieses Spiel nur ihn und die Lady.
Bedächtig griff er nach dem Band und nahm ihn in Besitz. Es handelte sich um Eine Sage von Montrose, einen
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