Duell der Leidenschaft
jeder Mann weit und breit als zu bemüht, und jedem von ihnen mangelte es an Kraft und Autorität. Es war keine beruhigende Erkenntnis, denn eigentlich hätte das Gegenteil der Fall sein sollen, wo er doch im Verhältnis zu den anderen Männern grobschlächtig erschien.
»Nun, Monsieur«, wandte sie sich absichtlich freundlich an diesen Mitreisenden. »Kommen wir so gut voran, wie wir es sollten? Glauben Sie, wir können dem Steuermann vertrauen, dass er uns sicher in den Golf bringt?«
»Was Letzteres angeht, kann ich keine Meinung äußern, Mademoiselle.« Er lächelte sie schüchtern an. »Aber wir scheinen gut in der Zeit zu liegen.«
»Das ist immer etwas Erstrebenswertes, da muss ich zustimmen. Reisen Sie allein?«
»Nein, ich bin mit meiner Mutter unterwegs, Madame Marie Pradat. Mein Name ist Gervaise Pradat, a votre service.«
Aus einer spontanen Laune heraus und von dem erfreulichen Wissen begleitet, dass Kerr nicht davon begeistert sein würde, stellte sie ihn und Alexander Tremont und schließlich sich selbst dem jungen Mann vor.
»Meine Mutter wird auch Ihre Bekanntschaft machen wollen«, erwiderte er. »Ich bin mir sicher, wir haben gemeinsame Freunde, und es wird ihr ein Vergnügen sein, das herauszufinden. Als ich mich an Deck begab, machte sie sich fürs Frühstück bereit, wenngleich auch nicht ohne Schwierigkeiten.«
»Sie fühlt sich doch hoffentlich nicht krank, oder?«
Gervaise schüttelte den Kopf. »Nein, sie ist derzeit nur nicht ganz bei Kräften, müssen Sie wissen.«
»Wie schade. Dann sind Sie also allein.«
»Wie Sie sehen können.« Dabei nickte er und warf ihr einen hoffnungsvollen Blick zu.
Den jungen Mann einzuladen, um sich ihrem Rundgang anzuschließen, war das Einzige, was Sonia unter diesen Umständen machen konnte. Als sie Momente später wieder weiterging, zählten bereits drei Männer zu ihrem Gefolge.
»Ich darf annehmen, dass Ihre Tante nicht unpässlich ist, Mademoiselle«, sagte Kerr hinter ihr mit kehliger Stimme.
»Weil sie nicht als meine Anstandsdame an meiner Seite ist, meinen Sie?« Ihre Augen funkelten, als sie auf seine recht plumpe Andeutung hin, sie könne eine Anstandsdame gebrauchen, über die Schulter zu ihm sah. »Nein, nein, sie hat die Angewohnheit, bis zum Mittag im Bett zu liegen. Außerdem war sie erschöpft, nachdem sie gestern so früh hatte aulstehen müssen. Ich sah keine Veranlassung, sie heute Morgen zu wecken. Meine Tante ist zwar die Ruhe in Person, aber sie kann höchst unhöflich werden, wenn sie nicht ihren Morgenkaffee hatte.«
»Das ist kaum zu glauben.«
»Es würde sie freuen, Sie das sagen zu hören. Es steht Ihnen natürlich frei, sie zu wecken.«
Seine Antwort bestand nur aus einem Brummlaut, aber er machte keine Anstalten, die kleine Gruppe zu verlassen. Jubel über ihren kleinen Triumph bahnte sich wie ein guter Wein seinen Weg durch Sonias Adern.
Entgegen ihren Erwartungen fühlte sie sich an diesem Morgen nicht völlig niedergeschlagen. Zum Teil hing es damit zusammen, dass sie sich weigerte, die Hoffnung aufzugeben, und sie zu eigensinnig war, als dass sie ihr Schicksal akzeptiert hätte. Der vorrangige Grund war jedoch der Gentleman dicht hinter ihr. Er machte sie so rasend, dass sie kaum Zeit für Mutlosigkeit und Verzweiflung fand. Sich mit ihm ein geistiges Kräftemessen zu liefern war sogar dann erfrischend, wenn sie nicht gewinnen konnte. Dabei war ihr die Tatsache, dass diese Wortgefechte ihr fast schon Spaß machten, nicht begreiflich.
Hinter ihr unterhielt sich Kerr mit Gervaise Pradat über Belanglosigkeiten. Es schien ihr dennoch ratsam, die beiden zu belauschen, da etwas Interessantes zur Sprache kommen konnte, das sich für sie vielleicht noch als nützlich erweisen würde.
»Sie reisen geschäftlich nach Vera Cruz?«, fragte der Mann aus Kentucky.
»Keineswegs«, kam die Antwort in jenem entsetzten Tonfall eines kreolischen Gentleman, dem es nie in den Sinn kommen würde, sich als Händler zu betätigen. »Der Bruder meiner Mutter befindet sich dort. Seine Frau, die einer alten spanischen Familie entstammt, erbte ein beträchtliches Anwesen in Mexiko. Sie haben Besitz an der Küste, daher unterhalten sie ein Haus in Vera Cruz.«
»Ihr Onkel kümmert sich um die Geschäfte seiner Frau?«
»Ja, natürlich.«
Kerr bemerkte, dass sie die Unterhaltung der beiden mitverfolgte, und lächelte Sonia ironisch an. Zweifellos dachte er in diesem Moment an ihr Gespräch über die Vorrechte eines Ehemanns. Sie
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