Duell der Leidenschaft
historischen Liebesroman, verfasst vom Autor alter Highland-Dramen, Sir Walter Scott. Wegen der herrschaftlichen Schauplätze und des allgegenwärtigen Themas Ehre waren seine Werke in den letzten Jahren rasend beliebt geworden. Das Buch war eine elegante, in Leder gebundene Ausgabe mit Goldprägung und Goldschnitt. »Eine gute Geschichte«, kommentierte er wohlüberlegt, »aber nicht vergleichbar mit Ivanhoe.«
»Sie haben es gelesen?« Sonia blickte ihn verwundert an, während sie ihre Hand ausstreckte, um das Buch entgegenzunehmen.
»Wir in Kentucky können lesen«, konterte Kerr sarkastisch.
»So meinte ich das nicht«, rechtfertigte sie sich steif.
Vielleicht stimmte das, und vielleicht war er einfach zu empfindlich und fühlte sich irrtümlich angegriffen. »Meinen Sie, solche romantischen Geschichten lägen mir nicht? Meine Vorfahren kommen aus Schottland, wie Sie wissen. Es erinnert mich an die Geschichten, die mein Großvater mir erzählte. Schöne Geschichten von Viehdiebstählen und Kämpfen in der Heide der Ehre des Clans wegen. Nun, und auch des Spaßes wegen.«
»Das muss faszinierend gewesen sein.«
»Das waren diese Geschichten auch«, bestätigte er freundlich, als er ihr mit einer Verbeugung das Buch überreichte.
»Wenn Sie sich fragen, welcher Typ ich bin, dann könnte es helfen, wenn Sie mich in der Rolle von Scotts Figur des Robert McGregor sehen. Das dürfte Ihnen ein klareres Verständnis der Ereignisse ermöglichen.«
»Ich verstehe es auch so gut genug.«
»Na, darüber bin ich ja überglücklich, weil es alles so viel einfacher macht«, gab er dumpf zurück, auch wenn er sehr wohl wusste, was ihr schnippischer Tonfall zu bedeuten hatte.
Sonia ließ noch einen Blick folgen, dann drehte sie sich um, dass die Röcke wirbelten, und ging weiter. Tremont blieb noch lange genug stehen, um kurz mit den Schultern zu zucken, dann eilte er ihr hinterher.
Mit mürrischer Miene schaute Kerr den beiden nach. Er sollte es aufgeben und unter Deck gehen, um sich zu rasieren und zu waschen.
Doch danach stand ihm nicht der Sinn.
Ihm wurde bewusst, dass ihn dieses geistige Kräftemessen mit der seinem Schutz unterstellten Lady viel zu sehr faszinierte. Etwas daran gab ihm das Gefühl zu leben, und es weckte in ihm eine Hoffnung, wie er sie nicht mehr ver-spürt hatte, seit ... ja, seit Andrew gestorben war. Vielleicht neigte sich die lange Suche nun doch ihrem Ende entgegen, und vielleicht tat er jetzt endlich etwas, damit er seinem Schwur treu bleiben und den Tod seines Bruders rächen konnte. Möglicherweise hatte es damit zu tun, dass er bald Jean Pierre Rouillard gegenübertreten würde.
Es konnte aber auch einfach damit zu tun haben, dass ihm die Gesellschaft der Lady gefiel. Genau genommen gefiel ihm diese Gesellschaft sogar viel zu gut.
Eigentlich sollte er sich von ihr fernhalten und sich daraufbeschränken, für ihren Schutz zu sorgen. Und für den Moment könnte er sich anderen Dingen zuwenden, zum Beispiel den Maschinenraum besuchen, auf der Brücke vorbeischauen und mit dem Captain reden, wann sie den Golf erreichen würden und auf welchem Kurs er Vera Cruz ansteuern wollte. Er konnte sich auch in den Frachtraum schleichen und sich die Beschriftungen der Frachtstücke ansehen, um herauszufinden, ob der Empfänger der Waffen und der Munition jemand war, den er kannte - beispielsweise ein Gentleman namens Rouillard.
Doch nichts davon vermochte sein Interesse zu wecken. Später vielleicht, aber nicht in diesem Augenblick, so bedauerlich das auch war.
Er verschränkte die Hände auf dem Rücken, pfiff ein Klagelied auf Bonnie Prince Charlie und folgte gemächlich der aufreizenden, aber faszinierenden Mademoiselle Bonneval.
Zehntes Kapitel
Wie arrogant dieser Mann doch war, dass er glaubte, sie würde ihn sich als den Helden eines romantischen Epos vorstellen, als eine Figur, die Würde, Ritterlichkeit und den Mut der Verzweiflung in sich vereinte. Auf ihn traf wohl nichts davon zu, hatte er doch sein Schwert an den Meistbietenden ausgeliehen und sich bereit erklärt, eine hilflose Frau zu unterwerfen. Nicht dass sie tatsächlich annähernd so gleichgültig war, ein Irrglaube, der den Gentleman noch teuer zu stehen kommen sollte, aber es ging hier ums Prinzip. Ausgerechnet McGregor! Seine Bemerkung reichte, um sie davon abzuhalten, das Buch zu Ende zu lesen. Nachdem er nun sich selbst als eine der Figuren ins Spiel gebracht hatte, war sie unablässig damit beschäftigt, sein Bild aus
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