Duell der Leidenschaft
löste im Wasser einen Wirbel aus. Grüne Sträucher säumten das Ufer und waren so weit nach vorn gewachsen, als wolle es im Wasser sein Spiegelbild betrachten.
»Ich weiß nicht, ob das auch auf mich zutrifft.« Er drehte sich wieder zu ihr um und lächelte sie an, während er ihr in die Augen schaute. »Eine gemächliche, ruhige Reise hat auch einiges für sich.«
»Ich hätte wissen müssen, dass Sie das sagen würden. Ein ruhiges Leben für Sie, und das um jeden Preis.« Sie wandte sich an den Gentleman neben ihr. »Monsieur Wallace ist meine Eskorte, wie Sie sicherlich schon erkannt haben. Er wurde von meinem Vater angeheuert, um Gewissheit zu haben, dass ich sicher Vera Cruz erreiche.«
Tremont nickte. »Ihre Tante erklärte mir das bereits. Eine beneidenswerte Position.«
»Ich weiß nicht, ob er Ihnen da zustimmen kann. Bislang dürfte es für ihn wohl eher eine Mühsal gewesen sein.«
»Es hat auch seine angenehmen Seiten«, antwortete Kerr in neutralem Tonfall.
Sonias Wangen wurden augenblicklich rot, und sie presste die Lippen zusammen. Es freute ihn, dass sie seine Anspielung verstanden hatte und sie sich an den letzten Abend erinnerte, auch wenn ihr das Geschehen nicht so ins Gedächtnis eingebrannt sein konnte wie ihm.
Auf eine unerklärliche Weise stellte es ihn zudem zufrieden, dass sie Tremont gegenüber mit offenen Karten zu spielen schien, indem sie ihn wiederholt darauf hinwies, dass sie nicht ungebunden war. Ihr war zuzutrauen, dass sie den Gentleman für sich zu gewinnen versuchte in der Hoffnung, er würde sich noch als nützlich erweisen, damit sie ihre Flucht doch verwirklichen konnte.
Das durfte er natürlich nicht zulassen.
Nach Kerrs Meinung hegte der Gentleman gegenüber Sonia keine ernsthaften Absichten, und ihre Bekanntschaft würde mit dem Ende der Reise ebenfalls vorüber sein. Eine kurze Flirterei, vielleicht das eine oder andere Stelldichein, doch mit mehr war nicht zu rechnen. Zweifellos hatten sein gefälliges Gesicht und sein vornehmes Erscheinungsbild ihm in der Vergangenheit schon des Öfteren ähnliche Eroberungen möglich gemacht, da war es ganz klar, dass er jetzt einen weiteren Erfolg erwartete.
Allerdings würde seine nächste Eroberung nicht Sonia Bonneval sein. Kerr empfand keine besondere Abneigung gegen diesen Mann, doch er würde ihn in Scheiben schneiden wie eine Weihnachtsgans, wenn er auch nur versuchen sollte, sich ihr unziemlich zu nähern.
»Ich begleite Sie beide ein Stück, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte er beiläufig, noch während ihm diese Zusammenhänge durch den Kopf gingen. »Es geht schließlich nichts über einen schönen Spaziergang an Deck, um zur Ruhe zu kommen.«
Sonia widersprach nicht. Da er sich auf die nächste Konfrontation eingestellt hatte, fühlte Kerr angesichts ihrer Reaktion sofort Unbehagen. Er beugte sich ein wenig vor, um Sonia anzuschauen. Das lavendelfarbene Lodern in ihren Augen trug keinesfalls dazu bei, dass er sich wieder beruhigte.
Als sie kurz darauf auf die Passagiere, die sie bislang kennengelernt hatte, zu sprechen kam und sich zur an Bord genommenen Fracht äußerte, rutschte ihr ein Ende des Schultertuchs unter dem Ellbogen hindurch und landete auf dem Deck. Indem sie versuchte, das Ende zu fassen zu bekommen, ohne das Buch loslassen zu müssen, in dem sie gelesen hatte, verfingen sich die Fransen ihres Tuchs an Kerrs Stiefel. Er stolperte und versuchte zu verhindern, dass er die seidenen Fransen abriss, gleichzeitig zog sie sie unter seinem Stiefel hervor. Nur eine Bewegung, die nach verzweifelten Tanzschritten aussah, konnte verhindern, dass er auf seinem Hinterteil landete.
Sonia musste sich ein Lachen verkneifen, dessen war er sich sicher. Trotzdem entschuldigte er sich bei ihr und wich dem mitfühlenden, verständnisvollen Grinsen aus, das Tremont aufgesetzt hatte. Sollte er sich doch von ihr wie ein Lakai und Hanswurst behandeln lassen, dachte Kerr betrübt. Seine eigenen Schultern waren breit genug, um diese Sache darauf auszutragen, und sie wussten beide, wer letztlich das Sagen hatte.
Wenn sich durch solche Übungen ihre Laune besserte, sollte ihm das nur recht sein.
»Sonderbare Sache«, sagte Tremont und überbrückte rasch das plötzliche Schweigen, als sie wieder weitergingen. »Ich kam in den frühen Morgenstunden einmal an Deck, um zu rauchen, da konnte ich beobachten, wie die Besatzung dieses Schiffs mit dem Verladen beschäftigt war und dabei die Arbeit der Schauerleute erledigte.
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