Duell der Leidenschaft
Verlangen mit der gleichen Dringlichkeit zurück, sobald sie aufgewacht war, und jetzt, da sie die salzige Luft einatmete und die sanfte Brise auf der Haut spürte, war es genauso der Fall, weil sie sich ganz in der Nähe jener Stelle befand, an der es sich abgespielt hatte.
So konnte es nicht weitergehen. Energisch schüttelte sie den Kopf und verdrängte alle Bilder, die ihr durch den Kopf gingen.
Sie musste sich ganz auf das konzentrieren, was sie erwartete, wenn sie Vera Cruz erreichten. Soweit sie das beurteilen konnte, gab es für sie drei Möglichkeiten, wie sie sich verhalten sollte. Erstens: Sie tat einfach gar nichts und hoffte darauf, dass er seine Meinung geändert hatte. Zweitens: Sie versuchte, ihrem Bewacher im allgemeinen Trubel während des Festmachens im Hafen zu entwischen und sich irgendwo zu verstecken, bis sie eine Passage nach Mobile fand. Drittens: Sie konnte sich von ihm zu ihrem neuen Zuhause begleiten lassen und darauf vertrauen, dass sich eine Fluchtmöglichkeit ergab, sobald Kerr gegangen war.
Von beiden Männern — Jean Pierre und Kerr — hielt sie es für wahrscheinlicher, ihren zukünftigen Ehemann überlisten zu können. Er würde nicht mal daran denken, sie könnte etwas gegen die Heirat haben, weshalb er sicher auch nicht wachsam genug war, um sie noch zeitig aufzuhalten.
Natürlich setzte das voraus, dass ihr Vater mit der Nachricht von ihrer erwarteten Ankunft keine Warnung mitgeschickt hatte. Die Möglichkeit einer Allianz war ihr vor Monaten erklärt worden, lange vor Weihnachten, zusammen mit den Anweisungen, die Aussteuer zusammenzustellen, für die jedes Mädchen von klein auf sammelte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater erst zu diesem Zeitpunkt von der geplanten Heirat erfahren hatte. Es musste Verhandlungen über ihre Mitgift gegeben haben, ebenso über die Höhe ihre persönlichen monatlichen Zuwendungen, das Budget für den von ihr zu führenden Haushalt, die Zuweisung ihres Hab und Guts sowie die Summe, die sie eines Tages erben würde. O ja, im Rahmen dieser Korrespondenz konnte durchaus ihre Abneigung zur Sprache gekommen sein.
Was, wenn Jean Pierre sie am Hafen erwartete und sie sofort in die Kirche zu einem Priester brachte? Das wäre das Ende all ihrer Träume.
»Guten Tag, Mademoiselle.«
Erschrocken drehte sie sich um und grüßte Alexander Tremont, der soeben an ihr vorbeigeschlendert kam. Da er wegen der steifen Brise auf seinen Hut verzichtete, legte er kurz die Finger an seine Stirn als Andeutung, dass er unter anderen Umständen seine Kopfbedeckung zum Gruß abgenommen hätte. Er war in Braun- und Cremetönen gekleidet, das einzig Unpassende waren orangefarbene Blumenstickereien auf seiner Weste.
»Vom Steward hörte ich, dass Ihre Tante ein wenig unpässlich zu sein scheint.«
Sein Lächeln war warmherzig, ebenso die Blicke, die er über ihren Körper wandern ließ. Es war eine Spur zu berechnend, fand Sonia, und seine Begutachtung ihrer Formen unter dem meerblauen Popelin ihres Tageskleids kam ihr etwas zu allumfassend vor.
»Ein Anflug von Seekrankheit«, erwiderte sie. »Sie wird sich bestimmt bald erholt haben.«
»Und dann werden Sie nicht einmal von Ihrem großen Beschützer mit seinem Degen begleitet. Vielleicht werden Sie mir gestatten, Sie zu begleiten. Ich könnte Ihnen etwas vorlesen, Ihre Stickseide ordnen oder eine ähnliche Aufgabe übernehmen. O ja, und ich könnte aulbeben, was Sie fallen lassen.«
»Ich gehe nicht davon aus, dass ich heute so ungeschickt bin.«
Er lächelte verstehend. »Das ist eine herbe Enttäuschung, doch ich werde sie überleben. Jedenfalls so lange, wie Monsieur Wallace im Salon mit den Gentlemen weiter Karten spielt.«
»Dort hält er sich also auf. Ich hatte mich schon gewundert.«
»Daran zweifle ich nicht, immerhin dürften Sie sich längst an seinen immensen Schatten gewöhnt haben, den er auf sie wirft. Darf ich fragen ... nein, das geht mich nichts an.«
»Was geht Sie nichts an?«
Er schien ihre Frage als Erlaubnis zum Weiterreden aufzufassen. »Wenn der Gentleman nicht mit Ihnen verwandt ist, könnte er dann ein Freund Ihres Vaters sein, wenn er ihm Ihr Wohlergehen anvertraut?«
»Keineswegs.«
»Ich gebe zu, es kam mir auch unwahrscheinlich vor. Andererseits ist er nicht der Typ, der seine Dienste gegen Geld
überlässt.«
»Und was für ein Typ ist er dann?« Sie betrachtete forschend sein Gesicht, auch wenn sie gleichzeitig alles versuchte, um sich nicht anmerken zu
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