Duell der Leidenschaft
wurde. Sie regte sich nicht, während er ein paar ruckartige Bewegungen ausführte. Dann durchtrennte er den Stoff und streifte ihr die Röcke ab, die im Wasser davontrieben.
»Ich ... ich kann schwimmen«, sagte sie und versuchte sich von ihm abzustoßen, obwohl er sie beide über Wasser hielt.
Schließlich ließ er sie los, doch seine warmen Finger strichen sanft über ihren Rücken und den Arm. »Ich weiß. Dann kommen Sie.«
Schulter an Schulter stellten sie sich den Wellen, wichen dem Treibgut und anderen Schwimmern aus und bewegten sich von der Unglücksstelle fort in Richtung Küste.
Erst als sie sich vom Schiff entfernten, wurde Sonia bewusst, dass keiner von ihnen an die Rettungsboote gedacht hatte. Aber sie war sich auch fast sicher, dass in den
Booten längst kein Platz mehr war. Außerdem machte man sich an Bord der mexikanischen Fregatte vermutlich bereit, die Überlebenden an Bord zu holen. Bestimmt würden sie ihnen nicht die Flucht erlauben, sondern sie viel wahrscheinlicher gefangen nehmen, vor allem die Männer.
Diesem ungewissen Schicksal zu entkommen erschien Sonia die beste und auch einzige Lösung. Sollten sie bei ihrer Flucht ertrinken, würden sie sich wenigstens sagen können, dass sie es zumindest versucht hatten, anstatt sich widerstandslos in ihr Schicksal zu fügen.
Sie hatten erst eine kleine Strecke im Wasser zurückgelegt, da erkannte Sonia, dass sie Kerr aufhielt. Angesichts seiner überlegenen Kraft hätte er ihr mit Leichtigkeit davonschwimmen können, was sie zwar nicht erstaunte, aber beunruhigte.
Das Ufer wirkte weiter entfernt als vom Deck des Dampfers aus, weiter, als sie je zu schwimmen versucht hatte, als sie geschwommen war, wenn sie die Hose ihres Cousins getragen hatte. Die Wellen, gegen die sie ankämpfte, kamen ihr jetzt auch höher und heftiger vor. Außerdem war es Jahre her, seit sie das letzte Mal in den Fluss gesprungen war, um ein Stückchen zu schwimmen. Ihre Arme ermüdeten und wurden kraftlos, der Nasenrücken brannte durch das Salzwasser, und ihr Atem ging angestrengt, da sie versuchte, Kerr nicht aus den Augen zu verlieren.
Sie rollte im Wasser herum und versuchte es in der Rückenlage. »Schwimmen Sie voraus«, rief sie mit heiserer Stimme, während ihr eine Welle ins Gesicht schlug. »Ich ... brauche ... eine kurze Pause ... nur eine Minute ... dann folge ich Ihnen.«
»Ganz sicher nicht.«
»Aber Sie ...«
»Ich gab mein Versprechen.«
»Das ist doch ... albern. Auf so etwas wie hier ... hat sich das ... nie bezogen.«
»Sie vergeuden nur Ihre Kräfte.« Fast ohne innezuhalten, streckte er den Arm aus und legte ihn ihr um die Taille. Nachdem er sich wieder auf den Bauch gedreht hatte, schob er ihre Finger in seinen Hosenbund. »Halten Sie sich fest und machen Sie es mir so leicht, wie Sie können.«
Sie klammerte sich am Stoff fest und fühlte seine warme Haut auf ihren Fingern, während er weiter in Richtung Küste schwamm.
Wie ein Kind aus dem Wasser gerettet zu werden hätte eigentlich eine demütigende Erfahrung sein müssen. Stattdessen jedoch kam es ihr auf eine unerklärliche Weise richtig vor, zudem fühlte sie sich an seiner Seite wohltuend sicher. Dann holte sie mit dem freien Arm aus, um Kerr zu unterstützen, damit er sich nicht allein abmühen musste.
Die Zeit verlor völlig an Bedeutung. Angst, Zweifel und Sorge um ihre Tante und die anderen Passagiere versetzten Sonia zwar einen Stich ins Herz, doch der Wunsch zu helfen musste unerfüllt bleiben, weil es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre. Ihre ganze Welt reduzierte sich auf das Wasser ringsum und den Mann an ihrer Seite. Das Ziel, die ferne Linie aus Palmen zu erreichen, der gleichmäßige Rhythmus ihrer Bewegungen und die Notwendigkeit, den Kopf über Wasser zu halten, damit sie Luft bekamen, waren die einzigen Dinge, die jetzt noch wichtig waren. Ihr kam es vor, als wolle die Strecke zwischen dem Schiff und dem Land kein Ende nehmen, während sie mit aller Macht um ihr Überleben kämpften.
Die Geräuschkulisse, die über der Unglücksstelle gelegen hatte, fiel allmählich hinter ihnen zurück. Nebelschwaden trieben über die Wellen und verdichteten sich, bis das Klatschen ihrer Arme beim Aufschlag auf das Wasser und die schweren Atemzüge von der Nebelwand ringsum gedämpft wurden. Sonia war froh, dass sie beide den Blicken der Mexikaner entzogen wurden, und sie hoffte, man würde anneh-
men, sie seien so wie viele andere auch beim Untergang der Lime Rock
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