Duell der Leidenschaft
der rauen See unablässig an ihn gedrückt hatte. Er spürte es noch immer, dieses Gefühl an seiner ganzen Seite, das so brannte, als hätte er sich in Nesseln gelegt.
Ja, auch das würde ihm im Gedächtnis bleiben.
Bei Gott, er war doch auch nur ein Mann! Wie sollte er sich verhalten? Er wollte sie, er verzehrte sich mit einer verzweifelten Sehnsucht nach ihr, die nur gestillt werden konnte, wenn sie sich ihm hingab. So sehnte er sich bereits seit der Nacht nach ihr, als er ihr die Schminke aus dem Gesicht gewischt hatte, die im Regen verlaufen war und aussah wie schwarze Tränen.
Sie war das eine Verlangen, das er niemals würde stil-
len können. So sehr er sie wollte, er konnte sie nicht haben.
Er hatte versprochen, eine makellose Braut abzuliefern.
Genau das würde er auch tun, und wenn es ihn umbrachte — was durchaus passieren konnte.
Mit ausholenden Schritten ging er voran und nahm nichts wahr außer seinen hitzigen Gedanken zu Sonia, die ihm nicht aus dem Kopf gehen wollten. Sie folgte ihm und konnte besser als erwartet mit seinem Tempo mithalten. Vermutlich lag das an all den Spaziergängen durch das Vieux Carre, die Ladys wie sie unternahmen - vom Stadthaus zum Markt, von der Kirche zur Modistin, vom Schuhmacher zur Putzmacherin. Und dazu natürlich während der Saison die endlosen täglichen Besuche bei Freundinnen, die Spaziergänge am Anlegeplatz sowie die Nächte, in denen bis zum Morgengrauen getanzt wurde.
Vielleicht eine Stunde, nachdem sie die Küste hinter sich gelassen hatten, bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung, als würde rechts von ihm etwas Fleckiges seine Position verändern.
Kerrs Nackenhaare sträubten sich, und er blieb stehen, da er eine Gefahr wahrnahm. Wie erstarrt stand er da und atmete nur flach.
Es war eine Klapperschlange, so dick wie sein Arm und doppelt so lang. Das Reptil entfernte sich von ihnen, wobei es kaum ein Geräusch verursachte, als es sich zwischen trockenem Laub hindurchschlängelte. Irgendwo war das Tier dann auf einmal verschwunden.
Mit einem stummen Fluch auf den Lippen wünschte sich Kerr, er hätte noch seinen Stockdegen bei sich, der zusammen mit der Lime Rock in den Tiefen der See versunken war. Er hasste es, nicht seine Waffe zur Hand zu haben. Nur selten war es in den letzten Jahren vorgekommen, dass er gar keine Waffe griffbereit hatte. Jetzt aber musste er auf Degen, Florett, Rapier, Säbel und Stockdegen verzichten.
Sein Taschenmesser war kein würdiger Ersatz, auch wenn es schwer in seiner Hosentasche ruhte, wohin er es gesteckt hatte, nachdem Sonia von ihrer schweren Kleidung befreit worden wär.
Er warf einen Blick über die Schulter und sah, dass Sonia reglos dastand. Ob sie die Schlange auch gesehen oder nur auf ihn reagiert hatte, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Er vermutete aber, dass Ersteres der Fall war, denn sie hatte ihre Augen weit aufgerissen und atmete hastig durch den nur leicht geöffneten Mund.
Er sollte besser die Gedanken an das verdrängen, was sich ohnehin nicht ändern ließ, und sich zusammenreißen. Ansonsten würden sie womöglich beide hier im mexikanischen Dschungel sterben, und niemand würde je erfahren, was ihnen zugestoßen war. Die Pelikane und die Papageien würden über ihre Leichen herfallen und die Ameisen das wegtragen, was dann noch von ihnen übrig war, und dann wäre dies ihr Ende.
Er rang sich ein Lächeln ab und streckte die Hand aus. »Es wäre wohl am besten, wenn Sie dicht bei mir blieben. Ich möchte nicht, dass Sie mir jetzt abhandenkommen.«
Sie kam zu ihm und machte dabei vorsichtige Schritte, da sie nur noch Strümpfe trug. Ihre Füße waren bereits schmutzig geworden, und überall dort, wo die feine Seide aufgerissen war, konnte man rote Kratzer sehen. Sonia nahm seine Hand und hielt sich fest.
Kerrs Herz machte bei der Berührung einen Satz, er sagte aber nichts. Stattdessen drehte er sich weg und schärfte seine Sinne für diese Umgebung so sehr, dass es fast schmerzte, ihn damit aber von dem Verlangen ablenkte, das er nicht einmal halb so gut aushielt.
»Haben Sie eine Ahnung, wo wir eigentlich sind?«, fragte sie nach kurzer Zeit. »Ich meine, in welcher Höhe wir uns an der Küste befinden?«
»Nach der Seekarte des Captains zu urteilen, auf die ich
gestern einen flüchtigen Blick werfen konnte, irgendwo unterhalb von Tampico.«
»Dann versuchen wir also, nach Norden zu gehen?«
Er sah geradeaus und musterte aufmerksam das Unterholz. »Vera Cruz liegt im
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