Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
und streckte seine Hand aus. »Komm, Kind.« Sie war verwirrt und fassungslos, wollte gern tun wie ihr geheißen und hatte doch Angst vor dem, was geschah. Sie schaute von ihrem finster dreinblickenden Großvater auf den prachtvollen Mann und ging dann zögernd auf ihn zu. Nach einem letzten Blick auf die Chininwelpen, die aufgehört hatten zu spielen, auf ihren Hinterläufen saßen und sie beobachteten, ergriff sie die Hand des Fremden und trottete neben ihm her. Ihre kurzen Beine mußten mehrere Schritte tun, um mit einem einzigen der seinen mitzuhalten. Nach ein paar Minuten schaute sie zurück. Die Welpen saßen immer noch in einem unsauberen Halbkreis und sahen ihr mit traurigen Augen nach. Ein Chininjunges heulte plötzlich los, und die anderen stimmten mit ein. Der Klang wühlte sie auf, so daß sie sich auf die Lippe biß und schneller neben der dunklen Gestalt herging, die über die Tundra auf eine der vielen freiliegenden Gesteinsformationen zuhielt, die sich wie scharfkantige Zähne aus der dahingestreckten Landschaft erhoben.
Hinter dem Felsen war ein Vinat an einen großen Stein gebunden und weidete im weichen Frühlingsgras. Er war vor einen geschnitzten und bemalten Wagen gespannt, wie ihn die Tangi-Priester benutzten, wenn sie zwischen den Windläufer-Lagern umherreisten. Um die vier Seiten des Fahrzeugs führten Schnitzereien von Vinats, die mit ihren vergoldeten Hörnern über gelben Boden sprangen. Über und unter ihnen verliefen Ketten roter und gelber Blumen, grüner Blätter und rankenden Laubes. Über den Wagen spannten sich geschnitzte Bögen mit Schlingen, durch die man eine Plane knüpfen konnte, obwohl nun keine darübergezogen war. Serroi sah zu, wie der Fremde den Hinterverschlag des Wagens herabließ und die Schnüre eines großen Ledersacks zu lösen begann.
Mit einen eigentümlichen Gefühl im Magen trat sie zu dem grasenden Vinat und streichelte mit zögernden Fingern die dichten, wolligen Locken auf den Vorderbeinen des Tieres. Es hob den graziösen, schmalen Kopf. Der geschmeidige Hals bog sich zur Seite, und der Vinat stupste mit dem Kopf nach ihr. Seine Nüstern bebten, und seine Ohren zuckten vor Vergnügen, als sie ihn am Kiefer genau oberhalb des struppigen Bartes kraulte, der wie Feuer brennen konnte, wenn der Vinat damit ein angreifendes Raubtier streifte. Weitere steife, kurze Stacheln schimmerten wie Golddraht auf dem handförmigen Geweih. Mit seiner durch die Borsten geschützten Kehle, der zusätzlichen Waffe der bestachelten Hörner und den rasiermesserscharfen Hufen war der Vinat ein zäher Kämpfer und auch halb gezähmt schwer zu handhaben.
»Komm her, Kind.« Die melodische Stimme hatte einen herzlichen Beiklang, der sie überraschte. Ihr Herz schlug sprunghaft, und sie wußte nicht, was sie eigentlich erhoffte, als sie den Vinat stehenließ und um den Wagen herumging. Der Mann ergriff ihre Hand und lächelte von seiner großen Höhe zu ihr herab. Er wirkte nun sanfter, weniger wie ein langzähniger Sicamar, der eine Herde belauerte. »Setz dich hierhin.« Er deutete auf einen kleinen Stein zwischen Gras und Limulblumen. Sobald sie saß, brachte er ein mit Wasser gefülltes und mit weißem Schaum parfümiertes Becken. Er kniete neben sie und stellte die Wanne ins Gras vor ihren Stiefelspitzen. Nachdem er seine Ärmel zurückgeschoben hatte, tauchte er einen Lappen ins Wasser und säuberte vorsichtig ihr Gesicht. Das Tuch streichelte ihre Haut, allerdings bekam sie brennenden Schaum in die Augen. Das Wasser war köstlich warm. Sie blieb ganz still sitzen, bebte unter dem Genuß der Wärme und einer Vorsicht, die sie für Zärtlichkeit hielt, die erste, die sie bekam, seit ihre Mutter sie entbunden hatte. Als er mit dem Gesicht fertig war, wusch er gründlich ihre Hände und reinigte sogar die kleinen Schmutzstellen unter ihren kurzen, abgebissenen Fingernägeln.
Schließlich hockte er sich auf die Fersen zurück und ließ den Lappen ins Becken fallen. »Wasch den Rest deines Körpers, Kind, und zieh dann das hier an.« Er deutete in den hinteren Teil des Wagens. Dort lagen ihre besten Hosen, Jacke, Gürtel und Mantel. »Deine Mutter hat sie mitgegeben.« Er stand auf. »Trödle nicht. Komm zu mir, sobald du fertig bist.« Er ging davon, hievte sich auf den Fahrersitz des Wagens und kehrte ihr so den Rücken zu.
Als sie neben ihn hinaufkletterte, ließ er eine Peitsche über die Hinterbacken des Vinats zucken, und sie begannen ihre Fahrt durch die Tundra.
DIE
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