Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
herab, als starrte sie auf den Pfeil, der aus ihrer Brust ragte, dann fiel sie von ihrem Reittier. Der Sturz des Kriegsführers war für seine Gefolgsleute wie das Erlöschen der Sonne. Serroi vernahm Schreie und Flüche vom Ufer, dann zischten die Bolzen nur so durch die Luft, aber sie lag längst hinter der Bordwand.
Als der Beschuß abbrach, erhob sie sich auf die Knie. Auf dem Hügel wimmelten die Kapperim ziellos umher und stimmten Klagelieder für ihren toten Führer an. Auf der Dorfmauer jubelten die Fischer. Ein kleiner Junge hatte den Glockenturm erklommen und schaukelte an dem abgerissenen Seil, worauf die große Glocke den Triumph über die Wiese dröhnen ließ und beinahe das trauernde Klagegeschrei der Angreifer übertönte. Das verkohlte Tor brach in der Mitte auf, die Dorfbewohner stürzten heraus, schossen mit ihren Langbögen Pfeile ab und schleuderten den klagenden, verwirrten Kriegern Speere entgegen. Serroi ließ den Anker über Bord fallen und beobachtete das Durcheinander; sie hatte ihren Teil bei der Vertreibung der Angreifer erfüllt.
Das Chaos auf der Wiese wuchs weiter an. Entmutigt durch den Tod ihrer Führer, der so plötzlich eingetreten war, daß er ihnen wie böse Zauberei erschien, und unter dem Angriff der neu erstarkten Dorfbewohner, luden die Kapperim ihren toten Schamanen und Kriegsführer auf und flohen in den Wald am Fuße des Gebirges. Zurück blieben tote und sterbende Krieger und Macain, die herumschnüffelten, Grasbüschel auszupften und genüßlich kauten und sich ihrer neugewonnenen Freiheit erfreuten.
Serroi fuhr mit einem Lederflecken über ihren Bogen, glättete aufgerauhte Stellen im Wachs und sah zu, wie die Fischer zwischen den gefallenen Kapperim umhergingen und jenen, die noch am Leben waren, die Kehlen durchschnitten. Nach ein paar Minuten legte sie den Bogen beiseite, holte den Anker ein und zog ihn ins Boot. Als es genügend Geschwindigkeit hatte, riß sie das Ruder herum, setzte das Segel und steuerte zurück zu der Reihe der Boote, die im Schatten der Dorfmauer am Ufer des Meeresarmes lagen. Nun herrschte fast Dunkelheit, lang fielen die Schatten über das Gras, und der Himmel im Westen füllte sich mit karmesinroten und bernsteinfarbenen Fetzen, als erneut Gewitterwolken aufkamen. Das Wasser war nun träger, da die Flut nachließ. Sie warf das Boot noch einmal herum und steuerte seinen Bug auf den schlammigen Grund.
Als sie sich bückte, um ihren Bogen aufzuheben, wurde ihr schwindelig, und dunkle Flecken tanzten vor ihren tränenden Augen. Sie hockte sich auf die Fersen; ihre Knie zitterten, der Kopf tat ihr weh vor Erschöpfung und den Nachwirkungen des Weins. Sie mußte sich an die Reling klammern, um Halt zu haben, bis das Schwindelgefühl verflog. Sie konnte die Stimmen der Fischer am Ufer hören, doch sie schenkte ihnen wenig Beachtung, während sie ihren Bogen festgurtete und herumschob, bis das Holz diagonal über ihrem Rücken hing. Dann drückte sie die Handballen gegen die müden Augen und blieb einen Augenblick auf den Knien, um ihre restlichen Kräfte zu mobilisieren. Danach erhob sie sich und ließ sich über den Bootsrand in den Schlamm gleiten.
Eine wachsende Zahl von Fischern ging auf den Grasflecken oben am Ufer umher, um sie zu erwarten. Sie unterhielten sich leise, blickten ihr finster entgegen und machten angesichts der Hilfe, die sie ihnen hatte zuteil werden lassen, keinen besonders dankbaren Eindruck. Fremden gegenüber gaben sie sich als mürrischer Haufen, diese eingeborenen Dörfler. Serroi strich ihr Haar glatt und machte sich an den Aufstieg; mit finsterer Miene registrierte sie, wie sie immer wieder in dem gallertartigen Matsch ausrutschte, der ihre Sohlen überzog. Sobald sie sich auf festerem Boden befand, rieb sie ihre Stiefel energisch über einen Büschel drahtigen Grases, inspizierte die Sohlen und benutzte eine Handvoll Gras, um den restlichen Schlamm abzureiben. Sie wischte die Hände an einem anderen Grasbüschel ab, erhob sich dann und trat vor den Mann, der einen Schritt vor der Menge stand.
Der Intii – der Anführer der Fischer. Das konnte sie an dem Muster der Narben auf seiner Stirn ablesen. Die Gelehrten aus dem Tal hatten fragmentarische Berichte über die Fischer gesammelt und aus ihnen ein skizzenartiges Bild ihrer Lebensweise erstellt, das Serroi nun eine gewisse Sicherheit verlieh, trotz deren Abneigung gegenüber Fremden mit ihnen zurechtzukommen. Der Anführer wollte offensichtlich nicht als erster
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