Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
deutlicher, verschwamm wieder, wenn sie versuchte, sein Gesicht zu erkennen. Darin stand eine Trauer, mit der sie jedoch nichts anfangen konnte. Das Grauen hatte sich ihr in Mark und Bein gefressen. Er saß neben ihr auf dem Bett, versuchte, ihre Locken zu entwirren, ohne ihre Starre, ihre Reglosigkeit zu bemerken. »Serroi, meine kleine Serroi«, murmelte er. »Kämpf doch nicht gegen mich an, Kleines. Zwing mich nicht, dir das anzutun, mein kleines Tor, meine Tochter.« Seine Stimme wurde weicher bei diesem letzten Wort »Tochter«. Er strich mit den Fingerspitzen über ihre Wangen. »Die einzige Tochter, die ich in meiner Stellung haben kann. Sei mein Schatten, Serroi, mein zweites Ich. Du hast einmal zu mir gesagt, du möchtest ein Noris werden. Das ist nicht möglich, aber du kannst mehr lernen als die meisten. Wir können glücklich sein, Serroi. Gemeinsam können wir alles Dasein beherrschen.« Er strich ihr die Locken aus der Stirn, sah jedoch nicht, wie sehr sie unter der Berührung zu zittern begann. Ruhig und zufrieden mit dem, was er getan hatte, ging er von ihr.
An jenem Abend rief er sie an den Kamin und saß zufrieden neben ihr, während sie ihrerseits bewegungslos blieb und erschauerte, wann immer er sie anlächelte oder berührte. Innerlich tat ihr alles weh. Die Erinnerung an die Schmerzen und das Bewußtsein des Verlusts; Tränen sammelten sich in ihren Augen, und sie blinzelte sie fort. Sie betrachtete das schlicht-weg wundervolle Gesicht des Noris und war voll der Trauer wegen der Furcht, gegen die sie nicht ankam, wegen der Freude, die unwiederbringlich dahin war.
Am nächsten Tag kam er, sie abzuholen. Sie saß mitten im Bett mit überkreuzten Beinen und kraftlos auf den Knien ruhenden Händen und starrte ausdruckslos ins Nichts. Als sie ihn sah, stöhnte sie auf und wich mit abgewandtem Kopf zurück, um sich hektisch nach irgendeinem Versteck umzusehen. Es gab keinen Platz, wo sie sich hätte verstecken können. Der Noris lächelte. »Komm mit mir, Serroi.«
Einen Augenblick lang konnte sie sich nicht rühren, dann schob sie ihre Hand in die seine und rutschte vom Bett. Er sprach, und sie standen am Berghang oberhalb des goldenen Tales. Sie schaute traurig hinunter und wartete dann widerstandslos, daß er sie benutzte.
Er drehte sie zur Seite, daß sie ihn ansah und schaute ihr in die Augen. Eine Hand ruhte auf ihrer Schulter. Seine Augen wurden größer und größer, große, weiche, schwarze Ringe. Sie stand wie erstarrt, fassungslos vor Entsetzen und wartete darauf, ihn eindringen zu fühlen – doch ihr Entsetzen hielt ihn weit erfolgreicher ab als ihr früherer Trotz. Obgleich sie sich ihm nicht verweigern und nicht länger protestieren konnte, war sie doch auch nicht in der Lage, sich ihm zu ergeben; das Grauen überstieg ihre Beherrschung. Er raste und ohrfeigte sie, bis sie schluchzte. Sie versuchte, sich für ihn zu öffnen, doch er glaubte, sie lehnte sich wieder gegen ihn auf.
Er brachte sie beide ruckartig zum Turm zurück und schleuderte sie aufs Bett.
Auf Knien flehte sie ihn an. »Ich habe es versucht, Ser Noris.
Ich habe es versucht. Ich wehre mich nicht gegen dich. Bitte Bitte!«
Seine Finger bebten vor Zorn, als er ihre Hände fortschlug und wieder die Schmerzen über sie kommen ließ. Blind durch sein eigenen Grenzen war er nicht in der Lage, die Veränderung in ihr wahrzunehmen und beging seinen endgültigen und schlimmsten Fehler, durch welchen sie für ihn nutzlos wurde Er überließ sie drei Tage ihren Schmerzen, dann erlöste er sie davon und ließ sie am Strand spazierengehen, wie es ihr gefiel. Obgleich er sich von ihr fernhielt, fühlte sie seinen Zorn und seine Enttäuschung sie umfluten, wo immer sie sich befand. Niedergeschlagen und unsicher setzte sie sich in den Sand und beobachtete das heranrauschende Wasser.
Im Laufe der Tage entspannte sie sich zaghaft, hatte jedoch immer noch wenig Appetit auf das Essen, das die Hände ihr brachten. Sie schlief wenig, und der kurze Schlaf wurde immer noch durch Alpträume gestört. Der Noris überließ sie sich nach wie vor sich selbst, vielleicht weil er hoffte, die Zeit würde wie früher ihre Wunden heilen.
Am zehnten Tag betrat er plötzlich ihr Zimmer, blieb stehe und schaute auf sie herab, wie sie starr unter ihren Decken lag.' Es war noch sehr früh, die Sonne stand noch jenseits des Horizonts und schickte erst einzelne rotgoldene Strahlen her-' auf. Sein Gesicht erschien in dem nebelhaften Licht wie ein
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