Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
wachsenden Mauer, die das Tal allmählich zwischen zwei bröckeligen Felsen kurz vor der Stelle, wo es sich zu sanften Hügeln erweiterte, blockierte. Unter ihnen schlugen Steinmetze mit allen möglichen Notbehelfswerkzeugen Granit vom Berg und verarbeiteten den gebrochenen Stein zu Blöcken, so daß das ständige Klingen von Eisenhammer auf Eisenmeißel und von Meißel auf Stein fröhlich singende Töne hervorbrachte, die von der anderen Bergwand widerhallten. Ein Bach schlängelte sich über den Talboden und erzeugte ein unüberhörbares, resonanzloses Rauschen. Rufe und Lachen klangen zu ihr herauf. Die Luft so hoch oben war dünn und kalt und trug Geräusche mit der Deutlichkeit von klirrendem Eis.
»Teras ist mit Hars auf Erkundungsstreifzug gegangen«, sagte Tuli. »Vor fünf Tagen. Ohne mich.«
Tuli schüttete das Wasser aus dem Leineneimer in den großen Kessel vor dem Feuer und streckte ihre blaugefrorenen Hände an die lodernde Flamme. Die Hitze rötete ihr Gesicht und ließ ihre Haut kribbeln, aber sie wich nicht zurück, denn nach der Planscherei im eiskalten Bach tat die Wärme besonders gut. Sie schloß die Augen, schnupperte genüßlich nach den in der Pfanne brutzelnden Fischen, die ihre Mutter einen Augenblick stehengelassen hatte, um in einer dickwandigen Steingutschüssel einen Eierteig zu schlagen. Tuli hockte sich hin, gähnte müde und beobachtete, wie ihr Vater vom Flußufer zurückkam und alle paar Minuten bei jedem der umliegenden Lager Halt machte, um ein paar Worte mit den anderen verfolgten Teroms zu wechseln, die sich im Tal niedergelassen hatten. Sanani beschäftigte sich ein wenig höher am Berg mit ihren Oadats, einem halben Dutzend graupelziger Bodenläufer, die sie im Augenblick in derben Weidenkäfigen hielten. Sie paßten sich nicht allzugut an die höhere Lage an, allerdings legten sie immer noch ein oder zwei Eier, wie Annics Eierteig bezeugte. Sie machten einen lethargischen Eindruck und vergaßen zu fressen, außer wenn Sanani sie lockte und mit Liebkosungen in einen glücklicheren Zustand versetzte. Teras schien nirgendwo in Sicht.
Pap
muß
ihn etwas holen geschickt haben,
überlegte sie und versuchte dann, nicht mehr an ihn zu denken. Er war unruhig und gereizt gewesen, hatte sie völlig grundlos angeschnauzt und hing mit den Jungen herum, wenn er nichts zu arbeiten hatte. Als ihr Vater kraftvoll und mit gerötetem Gesicht den Hang zu ihrem Lager hochgeklettert kam und für einen Mann, der alles verloren hatte, eigentümlich zufrieden wirkte, sprang Tuli auf, blieb stehen und rieb sich die Hände seitlich an den Hüften. »Wo ist Teras? Er sollte sich lieber beeilen, das Frühstück ist fast fertig.«
Tescs Lächeln erlosch. Er beugte sich über die Pfanne mit den brutzelnden Fischen, hob Annics Spachtel auf, schob sie unter die Fische und wendete sie ordentlich mit einer raschen Drehung des Handgelenks. Das überraschte Tuli, die ihn niemals bei der Hausarbeit erlebt hatte. Andrerseits war dieses Lager aber auch kein Haus ...
Tuli wollte die Frage wiederholen. »Wo ...?«
»Er ist früh aufgebrochen«, antwortete Tesc widerwillig. Er hielt den Blick finster auf die Fische gesenkt und tippte sie mit der Spachtel an. »Mit Hars«, fügte er hinzu. »Wir müssen herausfinden, wann die nächsten Zinswagen beladen und in Gang gesetzt werden.«
»Aufgebrochen? Nein. Er würde nicht ohne mich gehen.« Tuli ballte die Fäuste, Messer bohrten sich ihr in Bauch und Schädel, eine Hitzewelle überflutete ihren Körper. Sie rang mit ihrer aufkeimenden Wut und versuchte, sie zu unterdrücken. »Das würde er nicht machen, Pap. Er weiß, daß ich mit' will.«
Tesc kam um das Feuer, ergriff ihre Schultern sanft aber bei stimmt und blickte ihr ernst ins Gesicht. »Versuch es zu verstehen, Tuli. Ich will nicht, daß du mit ihnen reitest. Es ist zu gefährlich.«
Mit zuckenden Lippen, die jedoch kein Wort hervorbrachten starrte Tuli in die runden, blauen Augen ihres Vaters, sah darin Besorgnis und etwas anderes, das sie nicht verstand – sofern es nicht Mitleid war. Vor diesem Gedanken schreckte sie zurück, weil sie es nicht ertragen hätte, wenn ihr Vater sie bemitleidete. »Nein.« Sie verschränkte die Arme fest vor den zarten Brüsten um die Wogen des Zorns, die in ihre emporschwellten, zu dämpfen. »Nein. Ich glaube dir nicht.« Ihre Stimme war fast schrill und überschlug sich bei den Worten. Das Mitleid, das sie ablehnte, stand nun deutlicher im Gesicht ihres Vaters.
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