Duell der Zauberer
Jahrhunderte hinweg war das Eisen zu einem feuchten, roten Schlamm verrottet, der die ungeheuren Ausmaße des ehemaligen Turms nachzeichnete.
Der Stumpf war abgetragen, die Kanten von den Jahren rund geschliffen. An einigen Stellen vermischte sich der Rost mit einer dickflüssigen schwarzen Masse, die wie geronnenes Blut über die Eisenplatten lief.
Urtag, der jetzt sichtlich zitterte, stieg vor einem großen Torbogen vom Pferd und ging als erster durch eine halb offenstehende Eisentür. Der widerhallende Saal, den sie betraten, war so groß wie der kaiserliche Thronsaal in Tol Honeth. Die Fackel hochhaltend, führte Urtag sie wortlos über den unebenen Boden zu einer weiteren eisernen Bogentür und dann eine Reihe von hallenden Eisenstufen hinab in die Dunkelheit. Am Fuß der Treppe, etwa fünfzig Meter unterhalb der zerstörten Geschosse, war wieder eine Tür aus schwarzem Eisen, die mit großen, runden Nieten beschlagen war. Zögernd klopfte Urtag an die Tür, und sein Klopfen hallte hohl in dem dahinterliegenden Raum wider.
»Wer kommt, den Schlummer des Drachengottes von Angarak zu stören?« fragte eine gedämpfte Stimme jenseits der Tür.
»Ich bin Urtag, Erzpriester von Camat.« Die Stimme des Grolims war angsterfüllt. »Wie befohlen, bringe ich dem Schüler Toraks die Gefangenen.«
Nach kurzer Stille rasselte eine gewaltige Kette, dann knirschte ein mächtiger Riegel. Langsam und quietschend öffnete sich die Tür.
Ce’Nedra schnappte nach Luft. Vor ihr im Türrahmen stand Belgarath! Es dauerte einen Moment, bis ihre erstaunten Augen die leichten Unterschiede wahrnahmen, die ihr zeigten, daß der weißhaarige Mann vor ihr nicht wirklich der alte Zauberer war, sondern jemand, der ihm so ähnlich sah, daß sie ohne weiteres für Brüder gelten konnten. So fein die Unterschiede auch waren, sie waren doch tiefgreifend. In den Augen des Mannes, der dort in der Tür stand, lag ein gehetzter Ausdruck ein Blick aus Kummer und Entsetzen und einem furchtbaren Selbsthaß, überlagert von der hilflosen Hingabe eines Mannes, der sich vollkommen einem grausamen Herrn unterworfen hatte.
»Willkommen im Grab des einäugigen Gottes, Polgara«, begrüßte er die Zauberin.
»Es ist lange her, Belzedar«, erwiderte sie seltsam unbeteiligt.
»Ich habe das Recht auf diesen Namen aufgegeben«, sagte er in leicht bedauerndem Ton.
»Das war deine Entscheidung, Zedar.«
Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht«, sagte er, »vielleicht auch nicht. Vielleicht ist das, was ich tue, ebenfalls notwendig.« Er öffnete die Tür weiter. »Kommt herein, wenn ihr wollt. Diese Krypta ist leidlich bewohnbar.« Dann sah er Urtag an. »Du hast einen Dienst geleistet, Urtag, Erzpriester Toraks, und ein Dienst sollte nie unbelohnt bleiben. Komm.« Damit drehte er sich um und ging voran in die Gewölbekammer. Die Wände bestanden aus Stein, aus massiven Blöcken, die ohne Mörtel zusammengefügt und übereinandergetürmt waren, bis sie auf die großen, eisernen Streben trafen, welche die Decke und die Ruine darüber trugen. Die Kälte dieser gewaltigen Masse aus Stein und Eisen wurde von großen, glühenden Kohlebecken ferngehalten, die in den vier Ecken des Raumes standen. In der Mitte stand ein Tisch mit einigen Stühlen, und an einer Wand lagen lose zusammengerollte Strohsäcke und ein Stapel ordentlich gefalteter Wolldecken. Auf dem Tisch standen zwei große Kerzen, deren Flammen in der totenstillen Luft der Grabkammer ruhig und stetig brannten.
Zedar blieb kurz am Tisch stehen, um eine der Kerzen zur Hand zu nehmen, dann ging er über den steinernen Plattenboden zu einem gewölbten Alkoven, der in die gegenüberliegende Wand eingelassen war. »Deine Belohnung, Urtag«, sagte er zu dem Grolim. »Komm und schaue das Antlitz deines Gottes.« Er hob die Kerze hoch.
Auf einer steinernen Bahre in dem Alkoven lag eine riesenhafte Gestalt auf dem Rücken, die ganz in Schwarz gehüllt war. Das Gesicht war von einer polierten, stählernen Maske verborgen. Die Augen der Maske waren geschlossen.
Urtag warf einen entsetzten Blick darauf, dann fiel er auf die Knie.
Ein tiefes, heiseres Seufzen erklang, und die ruhende Gestalt bewegte sich leicht. Wie Ce’Nedra mit entsetzter Faszination sah, wandte sich das stahlbedeckte Gesicht ihnen rastlos zu. Ganz kurz öffnete sich das linke, glänzende Augenlid. Hinter dem Lid brannte das furchtbare Feuer des Auges, das nicht mehr war. Das stählerne Gesicht bewegte sich, als ob es aus Fleisch und
Weitere Kostenlose Bücher