Duell im Eis
quälend langsame Fahrt mit keiner Verständigung zu den Versorgungsschiffen.
In den U-Booten war jetzt kriegsmäßiger Dienst. Kein Singen mehr, kein lautes Reden, Vermeidung von allen Geräuschen, selbst das Klappern von Tellern, das Hinfallen eines Instrumentes oder ein lautes Stolpern erzeugten drohende Blicke.
Die Berreskowa war in ihre Kabine verbannt und wurde von Obermaat Pralenkow lautlos bedient. An den Sonargeräten, den elektronischen Ohren, die jedes Geräusch unter Wasser registrierten, saßen die Spezialisten. Es war eine Schleichfahrt wie bei einem Angriff.
Malenkow hatte versucht, Ljuba die Gefährlichkeit dieser Passage zwischen der Wake-Insel und den Marschall-Inseln zu erklären. »Wen interessieren die zwei Frachtschiffe!« sagte er. »Aber vier sowjetische U-Boote in diesen Gewässern, das würde nachdenklich machen.«
»Gehört denn das Meer den Amerikanern?« fragte die Berreskowa erstaunt.
»Nein. Der Pazifik ist ein internationales Meer. Aber –«
»Wo gibt es da noch ein Aber?«
»Der Amerikaner betrachtet sich als Wächter des Pazifiks.«
»Wer sich das gefallen läßt … Hat die große Sowjetunion es nötig, um die Amerikaner herumzuschleichen? Jurij Adamowitsch, erbärmlich ist das. Feig. Rot werde ich vor Scham im Gesicht.«
»Sprich leiser, Ljuba …«
»Soll ich etwa flüstern?«
»Am besten wäre das. Wenn irgendwo in unserer Nähe ein amerikanisches U-Boot fährt oder ein anderes Kriegsschiff, hören sie alles mit ihren Sonaren. Von Wake aus setzen sie sogar Delphine wie Spürhunde ein, mit umgeschnallten feinsten Geräten, und ein Delphin hört alles. Selbst wenn dein Kamm auf den Boden fällt, er hört es.«
»Dann hört er doch auch das Geräusch eurer Motoren.«
»Ja.«
»Welch ein Unsinn redest du da, Jurij Adamowitsch! Wenn man die Motoren hört, warum soll dann kein Kamm auf den Boden fallen? Warum flüstern? Faß dich an deinen Kopf, Malenkow!«
»Wenn wir sie oder sie uns unter Wasser hören, weiß man: Da ist einer! Aber ehe man ihn orten kann, ist vollkommene Stille im Wasser. Alle Motoren werden abgestellt, wir schweben nur noch dahin, kein Laut darf entstehen. Im Sonar wäre ein Husten dann wie ein Donner.«
»Und oben schwimmen die Genossen fröhlich dahin.«
»Frachtschiffe. Beobachten wird man sie, ihnen folgen, und das hören wir natürlich, warten und warten und schleichen uns dann seitwärts wieder weg. Morgen oder in drei Tagen oder einer Woche haben wir die Genossen wieder eingeholt.«
»Ein erniedrigendes Spiel. Der Ozean gehört jedem!« Die Berreskowa geriet in Zorn und ballte sogar die Fäuste. »Was bilden sich die Amerikaner ein? Auftauchen sollte man und ihnen zeigen: Hier sind wir! Auf einem freien Meer!«
»Was würde geschehen, Ljuba Alexandrowna, wenn an der Küste von Kamtschatka plötzlich vier amerikanische Atom-U-Boote auftauchen?«
»Ich weiß es nicht …«
»Ein kriegsmäßiger Alarm wird gegeben, und er bleibt bestehen, solange die Amerikaner keine Erklärung abgeben. Was sollen wir hier erklären? Eine Übung? Wer glaubt das, so weit weg von unserer Küste, ohne Versorgungsschiffe. Denn die beiden Frachter sind eben nur Frachtschiffe und fahren weiter. Was würdest du den Amerikanern sagen, kluge Berreskowa?«
»Wir kümmern uns nicht um euch, also kümmert ihr euch nicht um uns!«
»Heißt das: Vertraust du mir, dann vertrau' ich dir?«
»Ja.«
»Vertrauen in der Politik … Ljuba, wo lebst du? Betrachte die Menschen nicht wie deine Meeresmikroben! Warum bist du hier auf der ›Gorki‹? Um in einen Rieseneisberg eine U-Boot-Basis hineinzubohren. Nur aus Spaß, nur um zu sehen, daß so etwas möglich ist? Nein, um einen neuen, unbekannten Atomstützpunkt gegen die USA zu haben. Und du weißt es genau! Ist das nicht auch Krieg, nur lautlos, ohne Opfer und Zerstörung? Noch ohne Opfer!« Malenkow legte die Hände um seinen Kopf, als müsse er ihn vor dem Zerplatzen retten. »Vertrauen, sagt sie, das kluge Täubchen, und was will sie den Amerikanern sagen? Lügen! Vertrauen, und fährt unter Wasser dahin, um einen heimlichen U-Boot-Hafen und eine elektronische Station zu bauen. Laut lachen sollte man, aber jetzt geht das nicht. Doch werd' ich's nachholen, Ljuba Alexandrowna.«
14 qualvolle Stunden schlichen sie so unter Wasser weiter, aber kein amerikanisches Sonar erfaßte sie, kein ausgebildeter Delphin umkreiste sie und klebte mit seiner Rüsselschnauze unhörbar einen Magnetsender an das U-Boot. Vorsichtig ging
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