Duell im Eis
Wodka und lächelte zurück. »Danke!« sagte sie dabei.
Schesjekin lächelte erneut. ›Thank you‹, das war etwas, was er verstand. Dazu ›Yes‹ und ›No‹, aber dann war Schluß. Zu wenig, um sich drei Stunden mit einer schönen Frau zu unterhalten.
Wie lang können drei Stunden sein, wenn man sich nur ansehen kann und die einzige Konversation aus Kuchen mit Schokoladenfüllung und Wodka besteht. Auch Malenkow, dieser Rattenschwanz, kam nicht zurück, um über den Umweg der deutschen Sprache wenigstens für etwas Unterhaltung zu sorgen. Schesjekin schickte Pralenkow los, den Genossen Kapitän zu suchen, aber Nikolai Fedorowitsch kam zurück und meldete, daß Malenkow nirgendwo aufzutreiben sei.
Aber dann, nach über drei Stunden, klopfte es an der Tür, und Ljuba Alexandrowna kam ins Zimmer. Wie die Winterfee im Märchen war es, Eiszapfen hingen an ihrem zotteligen Wolfspelz, die Fellmütze glitzerte im Lampenlicht, von den Fellstiefeln tropfte es auf den Dielenboden, ihre Augenbrauen schimmerten von weißen Kristallen.
Schesjekin sprang auf und kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu. »Genossin Berreskowa!« rief er überschwenglich. »Sie sind gekommen! Das Vaterland verlangt einen großen Dienst von Ihnen.«
»Jurij hat es mir schon gesagt.« Sie riß sich die Pelzmütze vom Kopf, ihr blondes Haar quoll über den Kragen, sie schüttelte es zur Seite und drehte sich zu Virginia um.
Ihre Blicke trafen sich wie zwei Säbel, und in dieser Sekunde wußte Virginia, daß ihr gnadenlosester Feind gekommen war.
Wenn zwei besonders schöne Frauen einander begegnen, kann man getrost behaupten, daß alle Freundlichkeit zwischen ihnen und alle wohlklingenden Worte die größte Heuchelei sind, zu der menschliche Wesen fähig sind. Ihr Haß aufeinander ist unergründlich, unheilbar und maßlos. Man sieht das nicht, man hört das kaum, aber jede weiß von jeder, was die andere in ihrem aufgewühlten Inneren denkt.
Auch Ljuba Alexandrowna behandelte Virginia mit großer Höflichkeit, aber hinter der glatten Maske, in die sich ihr Gesicht gewandelt hatte, lauerte ein geradezu tierischer Vernichtungswille. Weder Malenkow noch Schesjekin merkten es, dafür spürte Virginia fast körperlich die erbarmungslose Feindschaft.
Sie saßen sich vor Schesjekins Schreibtisch gegenüber, Malenkow lehnte an der Wand, und Schesjekins dicker Körper in der Admiralsuniform rutschte unruhig auf dem Sessel hin und her. Er hatte Admiral Sujin noch nicht erreichen können, und ohne eine Stellungnahme von Alexander Mironowitsch wollte Schesjekin keine Entscheidung treffen. Ein solcher Fall verlangte das Eingreifen höchster Militärstellen; das Oberkommando der Marine, noch besser das Ministerium selbst hatte hier das letzte Wort. Es war eine Angelegenheit der Generäle Wisjatsche und Koronjew.
Das Dreiergespräch, das jetzt begann, war mühsam und doch kurz. Schesjekin gab seine Fragen auf russisch, Ljuba wiederholte sie auf englisch und übersetzte Virginias Antworten wieder zurück ins Russische. Aber es gab da wenig zu übersetzen, das Gespräch war schnell beendet.
Ljuba Alexandrowna fragte: »Sie sind Amerikanerin? Gut, das wissen wir. Ihren Namen haben Sie genannt. Wo kommen Sie her?«
»Aus San Francisco«, antwortete Virginia und blickte Ljuba in die katzengleichen Augen. Kurz vor dem Verhör hatte sie einen Blickwechsel zwischen Malenkow und der Berreskowa beobachtet und ahnte, in welcher Beziehung die beiden zueinander standen. Und noch etwas anderes, Wichtigeres nahm sie wahr: Der fette Schesjekin war ein harmloser Mann, dem nur die Admiralsuniform ein kriegerisches Aussehen verlieh, und Malenkow war ein guter, tapferer Offizier, aber kein militärischer Fanatiker. Er sah die Dinge klar und dachte realistisch. Die einzige Gefahr hieß Ljuba Alexandrowna, ein eiskalter blonder Engel …
»Der Genosse Admiral will nicht wissen, wo Ihre Heimat ist, er will wissen, woher Sie auf diesen Eisberg gekommen sind.«
»Kein Kommentar.«
»Es war ein Militärhubschrauber.«
»Kein Kommentar.«
»Was sind Sie von Beruf?«
»Meeresbiologin.«
Ljubas Gesicht belebte sich durch ein schwaches Lächeln. Eine Kollegin, sieh an. Oder war's nur ein Trick, um glauben zu machen, sie komme von einer Forschungsstation? Sie beugte sich etwas vor und schoß eine neue Frage ab: »Was ist eine Pleurobrachia?«
»Eine Rippenqualle, auch Seestachelbeere genannt.«
»Warum sind Sie auf dem Eisberg gelandet?«
»Warum sind Sie auf dem Berg?
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