Duell im Eis
Sowjetisches Militär …«
»Dieser Berg ist Niemandsland.«
»Sehen Sie, das ist die Antwort.«
»Wollen die Amerikaner den Eisberg annektieren?«
»Wir sind keine Russen, und der Eisberg ist nicht Afghanistan.«
Schesjekin lief rot an, als Ljuba die Antworten übersetzte, und hieb mit der Faust auf den Tisch. Für einen sowjetischen Funktionär gibt es einige Reizwörter wie Selbstbestimmung und GULAG, Regimekritiker und Dissidenten; Afghanistan gehört zu den Wörtern, die einem Tritt in den Bauch gleichkommen.
»Schluß!« sagte Schesjekin laut und kratzte sich wieder die knollige Nase. »Hören Sie auf, Ljuba Alexandrowna. Nichts wird sie sagen, nur Frechheiten. Die Entscheidung wird das Oberkommando treffen. Führt sie weg.«
»Als Gefangene?« fragte Malenkow.
Ljubas Kopf zuckte zu ihm hin. Diese Frage klang wie ein Vorwurf. Sie ist so schön, dachte sie voll Gift. Jurij Adamowitsch, sieh dich vor! Noch niemand hat es gewagt, eine Ljuba Alexandrowna zu hintergehen. Wage es nicht, mein Wölfchen! Denk daran, wie man Wölfe jagt …
»Ein Gast ist sie!« sagte Schesjekin. »Soll man sagen, wir seien unfreundlich? Genossin Berreskowa, kann Miß Allenby in Ihrem Haus wohnen? Es steht leer, wenn Sie wieder in Ihrem Labor sind.«
»Wenn Sie es befehlen, Genosse Admiral …«
»Wer könnte Ihnen befehlen, Ljuba.« Schesjekin setzte seinen Charme ein oder das, was er dafür hielt. Bei ihm wirkte es wie die plumpe Drehung eines Tanzbären. »Ihr Haus ist das schönste und sicherste, und es ist am besten zu überwachen.« Und dann sagte er etwas, was besser ungesagt geblieben wäre: »Jurij Adamowitsch, Sie sorgen dafür, daß Miß Allenby nicht belästigt wird. Sie sind mir für sie verantwortlich.«
»Ich nehme sie auf!« Ljuba erhob sich von ihrem Stuhl. Ihr Gesicht war wieder maskenhaft, ihre Augen unergründlich. Als ihr Blick zu Malenkow ging, blähte dieser die Nasenflügel. Ihre Eifersucht, ihren Haß spürte er auf der Haut. »Wie lange, Genosse Admiral?«
»Bis aus Moskau eine Entscheidung eintrifft. Das ist eine Sache der obersten Führung.« Schesjekin machte eine kleine Verbeugung zu Virginia hin und sagte, schon wieder etwas versöhnlicher: »Do swidanija.«
»Auf Wiedersehen, Admiral«, antwortete Virginia.
Ljuba, Malenkow und Nurian begleiteten Virginia zum Haus der Berreskowa. Muffige, schimmelige Luft schlug ihnen entgegen, als die Haustür aufgeschlossen war. Seit Ljubas Weggang zur Forschungsstation war hier selten gelüftet worden. Der Ölofen flackerte auf der kleinsten Stufe und verhinderte lediglich das Einfrieren der Leitungen; Malenkow ging sofort zu ihm und stellte ihn auf volle Brennleistung.
Ein langer, böser Blick der Berreskowa begleitete ihn. Wie besorgt er um sie ist! Nicht ein bißchen frieren und zittern darf das schwarze Kätzchen. Trag sie doch ins Bettchen, Jurij, deck sie zu – ein warmes Körperchen ist doch eine deiner Wonnen. Dankbar wird sie dir sein, weil sie merkt, welch ein Idiot du bist. Aber sieh dich vor, Jurenka, sieh dich vor! Leicht kann man auf blankem Eis verunglücken, und das warme Körperchen kann für ewig kalt werden …
Malenkow und Nurian blieben nur kurze Zeit, und dann waren die beiden Frauen allein, saßen sich auf der Eckbank gegenüber und blickten einander stumm an.
»Du bist tot«, sagte Ljuba plötzlich mit ihrem harten Englisch. »Du weißt es noch nicht, aber du bist tot für alle Zeiten, auch wenn du leben darfst. San Francisco siehst du nie wieder.«
»Man wird mich suchen.«
»Wer?«
»Ric.«
»Wer ist Ric?«
»Mein Verlobter. Wir wollten in vierzehn Tagen heiraten.«
»Und wo ist Ric jetzt?«
»Kein Kommentar«, antwortete Virginia wie bei dem Verhör.
Ljuba Alexandrowna verzichtete auf weitere Fragen. Verlobt ist sie, heiraten wollten sie. Das muß man Jurij sagen. Eine gute Nachricht ist das. Sie sah Virginia wieder mit ihren Katzenaugen an und lächelte ihr zu. Aber das Mißtrauen blieb, die Eifersucht, der Neid auf ihre Schönheit und die Angst vor Unheil. Es wird kommen, dachte sie. Es wird kommen und uns alle wie ein Strudel abwärtsziehen …
3
Henderson und Brooks landeten nach der Lagebesprechung mit Seymore und Warner am frühen Nachmittag auf dem Eisfeld und rannten gegen den Wind an, der über die Ebene fegte. Ein Raupenschlepper mit einem bis zur Unkenntlichkeit vermummten Fahrer zog die Maschine in den sicheren Hangar.
Prustend und sofort mit Eiskristallen überzogen stolperten sie in die Wachbaracke
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