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Duell: Island Krimi (German Edition)

Duell: Island Krimi (German Edition)

Titel: Duell: Island Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Spasski. Gemessen an dem, was vorausgegangen war, strahlte er eine seltsame Ruhe aus. Falls es ihm gelänge, diese Partie zu gewinnen, hätte er acht Siege vorzuweisen, Spasski aber nur fünf. Falls Spasski verlor, würden sich seine Chancen auf die Titelverteidigung erheblich verringern.
    Marian beobachtete, dass Juri Vygocki gemessen aufstand und zum Seitengang neben der Zuschauertribüne ging. Er legte keinerlei Hast an den Tag, steckte eine Hand in die Hosentasche und steuerte auf die Eingangshalle zu.
    Marian wartete noch ab und behielt den Zuschauerraum im Auge. Zwei Männer zu beiden Enden des Saals erhoben sich und folgten Vygocki langsam.
    »Diese Schachweltmeisterschaft war sozusagen ein Geschenk des Himmels für Juri«, erklärte Bríet. »Er hatte sich schon sehr lange mit diesem Gedanken herumgetragen, doch es bot sich nie eine günstige Gelegenheit. Bis die Entscheidung getroffen wurde, dass Spasski und Fischer hier in Reykjavík um den Titel kämpfen würden.«
    »Wer wollte was tun?«
    »Juri.«
    »Juri Vygocki?«
    »Ja.«
    »Hat er vor zu fliehen?«
    Bríet schwieg.
    »Will Juri Vygocki sich in den Westen absetzen?«, fragte Marian.

Zweiundvierzig
    »Was da in diesem Kino geschehen ist, war entsetzlich«, erklärte Bríet, die es vermied, Marian in die Augen zu sehen. »Der reinste Horror. Ich kann kaum Worte dafür finden. Der arme Junge, die arme Familie. Viðar ist seitdem vollkommen verstört. Aber wegen Juri konnte er nicht zu euch gehen. Die beiden sind seit vielen Jahren befreundet. Du kannst das, was sie vorhaben, nicht stoppen. Sonst schnappen sie sich Juri, und er muss sterben. Und nicht nur er …«
    »Will Juri in die Vereinigten Staaten fliehen?«
    »Ja. Und die Familie …«
    »Haben sie seine Familie?«
    »Die Familie ist auf dem Weg zur amerikanischen Botschaft in Helsinki«, sagte Bríet, die immer noch auf die Uhr blickte. »Seine Frau und seine vier Kinder. Sobald sie in Sicherheit sind, wird hier etwas geschehen.«
    »Sind das die Menschenleben, von denen Viðar gesprochen hat?«
    Bríet nickte zustimmend.
    »Um sie dreht sich die ganze Sache, die Familie.«
    »In welchem Verhältnis stehen Viðar und Vygocki zueinander?«
    »Sie haben sich damals in Moskau angefreundet. Viðar wird dir das heute Nacht oder morgen früh selber erklären – falls alles klappt. Die Russen wissen, dass etwas nicht stimmt. Sie wissen, dass irgendjemand in Moskau schon seit Jahren Informationen weiterleitet. Viðar weiß nicht, wie sie das herausgefunden haben, aber die Schlinge zieht sich schon seit geraumer Zeit langsam zu. Juri weiß weder, wie viel sie wissen, noch, ob sie überhaupt etwas wissen. Seine Familie erhielt vorgestern die Erlaubnis, nach Helsinki zu reisen. Es hatte sich endlos lange hinausgezögert, aber dann kam die Erlaubnis, was möglicherweise bedeutet, dass er nicht zuoberst auf der Liste der Verdächtigen steht. Und er durfte auch zur Schachweltmeisterschaft nach Island reisen. Vielleicht ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass sie nichts wirklich Konkretes in der Hand haben. Das alles hat sich wegen seiner Familie so verzögert, und Juri soll morgen in die Sowjetunion zurückfliegen.«
    »Ist Viðar ein Agent?«, fragte Marian.
    »Nein«, sagte Bríet und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Er ist nur ein Freund. Und Kontaktmann. Juri hat sich mit ihm in Verbindung gesetzt, als er wusste, dass er nach Reykjavík reisen würde. Viðar hat Juris vollstes Vertrauen. Er verständigte die amerikanische Botschaft und vereinbarte mit den Leuten dort das Treffen im Hafnarbíó.«
    »Soweit ich gehört habe, ist Viðar immer ein kommunistischer Hardliner gewesen«, sagte Marian. »Damit hat er sich im Kreml angebiedert, sagte mir jemand.«
    »Das war er, und auf diese Weise hat er Juri kennengelernt. Sie waren zusammen auf der Lenin-Schule. Aber beide wandten sich mit der Zeit vom System ab. Über Juri erfuhr Viðar von den Verfolgungen, den Morden, den Gefangenenlagern. Juri hat selber durch die stalinistischen Säuberungen Familienangehörige verloren. Viðar war der Meinung, dass er deswegen das System hintergangen hat und zum Doppelagenten wurde. Wie gesagt: Juri vertraut Viðar voll und ganz.«
    »Und auf diese Weise wurde Viðar in die Pläne von Vygocki verwickelt?«
    »Viðar konnte Juri treffen, ohne dass es Verdacht erregte. Er wurde oft in die sowjetische Botschaft eingeladen, dort kannten sie ihn. Und Viðar ist auch häufig in die Sowjetunion eingeladen

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