Duell: Island Krimi (German Edition)
worden, und auf diese Weise vertiefte sich ihre Freundschaft. Zunächst hat Juri Viðar gebeten, sich mit der amerikanischen Botschaft in Verbindung zu setzen. Er traute sich nämlich nicht mehr, über seine normalen Kanäle Kontakt mit dem Westen zu halten. Die Botschaft ließ Spezialisten aus Amerika einfliegen, um die Flucht zu planen. Ein Teil des Plans war das Treffen im Hafnarbíó. Viðar weiß nicht, wer der andere war, aber Juri kannte ihn. Er war es, der …«
Bríet verstummte.
»War er es, der Ragnar erstochen hat?«
Bríet nickte.
Viðar stand wie versteinert bei einem der Telefone im Presseraum. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Geschäftiges Treiben mit entsprechendem Lärm erfüllte den Raum. Journalisten aus aller Herren Länder hämmerten auf die Tastaturen ihrer Schreibmaschinen ein oder telefonierten und beschrieben die Stellung in der Partie, die Atmosphäre in der Halle und alle Regungen der Duellanten. Telefone klingelten, die Gespräche wurden lautstark geführt, die Verbindungen waren unterschiedlich gut. Manche mussten schreien, um gehört zu werden. Alles deutete auf eine außerordentliche Partie hin.
Direkt neben Viðar klingelte ein Telefon. Viðar sah hin. Es klingelte noch einmal. Viðar wartete ab. Beim dritten Klingeln nahm er ab, aber er hörte nichts. Wegen des Lärms hielt er die andere Hand vor das Ohr.
»Are they safe?«, flüsterte er.
Es erfolgte keine Antwort vom anderen Ende der Leitung.
»Are they safe?«
Vygocki verließ gemessenen Schritts den Zuschauerraum, ohne sich umzublicken. Er schien die zwei Männer nicht bemerkt zu haben, die ebenfalls aufgestanden waren und ihm nach draußen folgten. Im Eingangsbereich der Halle angekommen, blieb er stehen. Marian hielt sich im Hintergrund. Albert war nicht mehr im Zuschauersaal, sondern hielt Ausschau nach Viðar, und Marian wusste nicht, wo er sich im Augenblick befand. Sie hatten erwogen, einen Großalarm auszulösen und die Veranstaltungshalle mithilfe eines großen Polizeiaufgebots absperren zu lassen. Marian war aber der Meinung, dass dafür die Zeit viel zu knapp war. Und auch die Folgen waren unübersehbar. In der Halle waren an die zweitausend Zuschauer, und es gab viele Ausgänge. Wenn Ragnars Mörder in den Reihen der Zuschauer war, würde ihn ein Polizeieinsatz dieser Größenordnung nur zur Flucht zwingen.
Vygocki zog eine Schachtel Zigaretten aus seiner Manteltasche und zündete sich eine Zigarette an. Er inhalierte den Rauch tief und blies ihn aus, während er sich ganz gelassen umblickte. Er wusste sehr genau, was sein Freund zu tun hatte, er würde ihm durch ein verabredetes Zeichen signalisieren, dass die Familie in Sicherheit war. Zu einer vorher bestimmten Zeit würde ein Telefon im Presseraum klingeln, und Viðar würde erfahren, wie es um die Ehefrau und die Familie stand. Viðar hatte sich seit Beginn des Weltmeisterschaftskampfs um die Vertreter der russischen Medien gekümmert und hatte deswegen immer etwas im Presseraum zu erledigen. Seine Anwesenheit dort erregte also kein Misstrauen.
Marian verfolgte alles aus einiger Entfernung. Vygocki blickte sich um, als wolle er feststellen, ob ihm jemand auf den Fersen war. Im Eingangsbereich der Halle wimmelte es von Menschen. In diesem Augenblick erblickte Marian Viðar auf dem Treppenabsatz vor dem Presseraum.
Bríet sah Marian an.
»Es war der Amerikaner«, sagte sie. »Juri hat Viðar gesagt, was passiert ist. Sie unterhielten sich gerade über die konkreten Einzelheiten des Fluchtplans, als sie ein seltsames Klicken hinter sich hörten. Beide haben das Aufnahmegerät von Ragnar gesehen, und dann kam auf einmal keine Reflexion von der Leinwand mehr, im Kinosaal wurde es finster, und ehe Juri sich versah, hatte der Amerikaner den Jungen erstochen. Es geschah innerhalb von wenigen Sekunden, Juri hatte keine Möglichkeit einzugreifen. Als es im Saal wieder heller wurde, sah er, was geschehen war. Als ihm klar wurde, dass es sich nur um einen unschuldigen Teenager handelte, wollte er am liebsten den ganzen Plan über den Haufen werfen und das Kino verlassen, doch dieser Amerikaner hat ihn umgestimmt, indem er behauptete, dass Juri sich dadurch selber ans Messer liefern würde. Der Amerikaner war überzeugt, dass dieser Junge mit dem Abhörgerät von jemandem dort platziert worden war, um das Gespräch mitzuschneiden, weil sie beide observiert wurden, Juri fand das aber vollkommen abwegig.«
»Hat Juri dem Jungen den Kassettenrekorder
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