Duell: Island Krimi (German Edition)
die Botschaft gelassen zu haben.
Marian war mit den Gedanken wieder bei dem Gespräch mit Johannes und hörte gar nicht, was Albert sagte. Johannes hatte deutlich gemacht, dass es die Amerikaner seien, die verlangten, dass Viðar in Ruhe gelassen würde. Was wussten die Amerikaner über den alten Kommunisten und seine Beziehungen zu Moskau? Wieso war dieser Mann wichtig für sie? Viðar hatte behauptet, selbst nicht im Hafnarbíó gewesen zu sein, sondern draußen gewartet zu haben. Das musste bedeuten, dass das Treffen zwischen dem Russen und dem Amerikaner sozusagen unter Aufsicht von Viðar stattgefunden hatte. Sie wollen sich im Hafnarbíó treffen, hatte jemand Viðar telefonisch ausgerichtet. Geht bloß nicht in die russische Botschaft, hatte Viðar gefleht. Menschenleben sind in Gefahr. Excuse me , hatte einer der Männer mit amerikanischem Akzent gesagt. Das hat überhaupt nichts mit Schach zu tun. Ihr seid völlig auf dem Holzweg.
»Wegen der Weltmeisterschaft sind zahlreiche sowjetische Offizielle nach Reykjavík gekommen«, hörte Marian den Sicherheitsbeauftragten sagen. »Einige sind hier in der Botschaft untergebracht, andere in Hotels. Wenn Sie mir den Namen des Mannes sagen könnten, den Sie sprechen wollen, werde ich versuchen herauszufinden, ob er bereit ist, mit Ihnen zu reden. Sie beide haben hier in der Botschaft keinerlei Rechte, das ist Ihnen hoffentlich klar, es ist die Botschaft der UdSSR , und Sie befinden sich auf sowjetischem Territorium.«
Albert sah Marian an.
»Wen wollten Sie denn sprechen?«, fragte der Sicherheitsbeauftragte, dessen Neugier anscheinend endlich erwacht war.
Albert zögerte.
»Um wen geht es?«, fragte der Mann ein weiteres Mal nahezu im Befehlston.
Albert räusperte sich.
»Wir glauben, er heißt …«
Albert konnte den Satz nicht zu Ende führen.
»Nenn bloß keine Namen!«, ging Marian dazwischen.
Der Sicherheitsbeauftragte und Albert sahen Marian verwundert an.
»Ich glaube, wir machen hier einen kapitalen Fehler.«
»Was?«, fragte Albert.
»Das Ganze ist ein einziges Missverständnis.«
»Was denn? Was meinst du? Was ist ein Missverständnis?«
»Wir sollten überhaupt nicht hier sein, Albert!«
»Wovon redest du eigentlich?!«
Der Sicherheitsbeauftragte verfolgte ihr Gespräch ungeduldig mit.
»Nach wem sucht die Polizei?«, fragte er ein weiteres Mal. »Sagen Sie mir den Namen, und ich sehe zu, was ich tun kann.«
»Kapierst du das nicht?«, sagte Marian zu Albert.
»Nein!«
»Nichts wie weg hier«, sagte Marian. »Ich erzähle es dir im Auto.«
»Was ist denn los?«, sagte Albert. »Wovon redest du?«
»Ich glaube …«
Marian sah den Sicherheitsbeauftragten an.
»Was ist?«, fragte der.
»Wir müssen hier so schnell wie möglich raus. Wir kommen zu spät!«
»Was meinst du denn damit?«
»Schnell«, sagte Marian auf Isländisch und lächelte dem Russen freundlich zu. »Beeil dich, Albert, bloß raus hier!«
Mit einem noch breiteren Lächeln bedankte sich Marian auf Isländisch, schob sich so schnell wie möglich an dem Sicherheitsbeamten vorbei und verließ mit Albert die sowjetische Botschaft.
Einundvierzig
Albert hielt stumm vor dem Haupteingang der Laugardalshöll. Als der Polizist, der dort postiert war, sich beschwerte, zückte Albert seinen Dienstausweis. Marian war bereits ausgestiegen.
Auch dem Aufseher an der Tür zeigte Marian den Polizeiausweis und konnte ihn so von der Dringlichkeit des Einsatzes überzeugen. Albert holte Marian an den Eingängen zum Saal ein. Etwa eintausend Zuschauer hatten sich in der Halle eingefunden, als die dreizehnte Partie wieder aufgenommen wurde, die tags zuvor unterbrochen worden war. Auf der Bühne saßen Boris Spasski und Bobby Fischer, anscheinend tief in Gedanken versunken. Eine der dramatischsten Partien des Weltmeisterschaftsmatchs war in vollem Gange. Beide Duellanten hatten die Zeit genutzt, um über die Stellung nachzudenken, Bobby Fischer bis morgens um acht. Spasski hatte zwei Bauern weniger und nahm sich fünfundzwanzig Minuten Zeit, bevor er den nächsten Zug eingab.
Kein Husten oder Räuspern war von den Zuschauern im Saal zu vernehmen. Fischer saß vor dem Brett und hatte beide Ellbogen auf den Tisch gestützt, auf der einen Hand ruhte sein Kinn. Er starrte auf die Felder vor sich. Spasski spielte Weiß. Er war aufgestanden, um sich Bewegung zu verschaffen und Fischer aus einer gewissen Entfernung zu beobachten. Lothar Schmid, der Schiedsrichter des
Weitere Kostenlose Bücher