Duell: Island Krimi (German Edition)
wirst.«
Josef blickte auf die weite Faxaflói-Bucht.
»Ich hatte gedacht, ich könnte dir vertrauen«, sagte er.
Ein Frachtschiff mit Kurs auf die hohe See verschwand allmählich hinterm Horizont. Im Geröll am Ufer wimmelte es von Vögeln. Ab und zu fuhr ein Auto die Ægisíða entlang.
»Dann lasse ich es eben bleiben«, sagte Marian.
»Gut.«
»Und?«
»Du hattest recht. Es gibt Aufzeichnungen von diesem Tag, die von seinem Telefon abgehört wurden.«
»Wer von beiden hat angerufen?«
»Die Frau. Es war die Frau, die in der Botschaft angerufen hat. Und sie hat die Dinge direkt beim Namen genannt und hat von den Hintergründen erzählt. Sie spricht Russisch. Wusstest du das?«
»Das überrascht mich nicht.«
»Nein, wahrscheinlich nicht.«
»Ich danke dir«, sagte Marian. »Die beiden versuchen jetzt, uns weiszumachen, dass das alles ganz anders geplant war.«
»Die haben ihn nicht entwischen lassen wollen.«
»Nein.«
»Und was kam bei der Schusswaffenuntersuchung heraus?«
»Sie bestätigt unsere Annahme von dem, was vorgefallen ist. Die Russen wurden gewarnt.«
Fünfundvierzig
Das schwache Geräusch der Klingel war auf dem Flur zu hören, wenig später erschien Bríet und ließ Marian ein. Marian hatte darum gebeten, dass sie und Viðar ihm erzählten, was in der Halle im Laugardalur passiert war. Bríet hatte darauf bestanden, dass das Gespräch bei ihr zu Hause stattfinden sollte.
Viðar war nach den Vorfällen bei der Veranstaltungshalle sofort verhaftet und verhört worden. Er war in jeder Hinsicht kooperativ und ging in allen Einzelheiten auf das ein, was aus seiner Sicht geschehen war. Er behauptete, nicht sonderlich überrascht gewesen zu sein, als sein Freund Juri Vygocki ihm anvertraut hatte, dass er in den Westen fliehen wollte. Sie waren seit der gemeinsamen Studienzeit gut befreundet. Bereits vor mehr als zwanzig Jahren hatte Juri bei einem ihrer Treffen zu verstehen gegeben, dass ihm die politische Entwicklung in der Sowjetunion nicht gefiel und er sich durchaus vorstellen konnte, eines Tages in den Westen zu gehen. Viðar hatte aber erst bei ihrem Treffen in Reykjavík erfahren, dass sein Freund schon lange Informationen an Verbindungsmänner bei der CIA weitergegeben hatte und jetzt fürchtete, dass sich das Netz um ihn enger zusammenziehen würde. Es hatte Viðar ebenfalls überrascht, als Juri ihn darum bat, den Mittelsmann zwischen ihm und der amerikanischen Botschaft zu spielen und Treffen zu arrangieren. Die Idee mit dem Kino hatte Juri gehabt. Viðar wiederum hatte das Hafnarbíó vorgeschlagen.
Viðar war mehrmals wegen des Mordes in dem Kino vernommen worden. Seine Behauptung, dass er nicht im Kino gewesen sei, als Ragnar erstochen wurde, konnte nicht widerlegt werden. Er hatte erst später von der Tat erfahren und bedauerte zutiefst, was dort passiert war. Viðar sagte aus, dass er vor dem Kino gestanden hätte, weil Juri fürchtete, observiert zu werden, und Viðar herausfinden sollte, ob das stimme. Juri und der Mann von der amerikanischen Botschaft, der erst am selben Morgen aus Amerika angereist war, kannten einander vom Sehen. Sie trafen sich im Foyer des Kinos, nahmen in dem bereits verdunkelten Saal Platz. Den Jungen hinter ihnen hatten sie erst bemerkt, als der Rekorder klackte.
»Hast du inzwischen wieder von ihm gehört?«, fragte Marian, nachdem sie sich in Bríets Wohnzimmer gesetzt hatten. »Hast du von Juri Vygocki gehört?«
»Nein«, erklärte Viðar. »Wenn es so weit ist, wird er von sich hören lassen.«
»Und was ist mit der amerikanischen Botschaft, hat sich von dort jemand gemeldet?«
»Nein. Aber damit habe ich auch nicht gerechnet. Ich spiele bei dem Ganzen ja keine Rolle.«
»Du glaubst, dass der Amerikaner Ragnar erstochen hat?«
»Ja. Es ist einfach furchtbar, was da passiert ist«, sagte Viðar. »Entsetzlich. Aber es überrascht mich nicht, Amerikaner lösen ja alle Probleme mit Waffengewalt.«
»Wir haben mit der amerikanischen Botschaft gesprochen, oder zumindest haben wir es versucht«, sagte Marian. »Aber wir haben keine Antworten auf unsere Fragen bekommen. Die wissen nichts von einem Jackson, und deine Beschreibung des Mannes hat wenig erbracht.«
»Natürlich geben sie nichts zu. Etwas anderes war wohl kaum zu erwarten.«
»Sie sagen, dass ihnen überhaupt nichts über diesen Fall bekannt ist, dass niemand wegen eines russischen Spions namens Juri Vygocki abgestellt worden sei oder dass sie ihm geholfen hätten, in den
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