Duell: Island Krimi (German Edition)
hatten die Zuschauer mitverfolgen können, wie sich die Lage des Weltmeisters mit jedem Zug verschlechterte. Die beiden gaben einander die Hand. Der Weltmeister hatte nach dem vierundsiebzigsten Zug aufgegeben. Fischer stand auf, unterschrieb das Protokoll und verließ dann wie immer eilends die Bühne. Spasski blieb noch eine Weile am Brett sitzen und ging die Partie durch, das, was er richtig gemacht hatte, aber mehr noch die Fehler, die ihm unterlaufen waren, Züge, die er hätte machen sollen, aber nicht gemacht hatte.
Marian ging Ähnliches durch den Kopf, als der Jeep in rasantem Tempo auf den Reykjavegur zuhielt, während Albert und die Polizisten hinter ihm her rannten. Der Jeep bog mit einer scharfen Wendung auf die Hauptstraße ab und fuhr in Richtung der Kreuzung am Suðurlandsvegur. Marian nahm eine Abkürzung über eine Wiese, die bis zur Straße reichte. Der Jeep konnte nicht weiterfahren, vor einer Ampel warteten Autos.
Der Fahrer des Jeeps sah, wie Marian die Böschung hochlief und sich im Rückspiegel Albert und die Polizisten rasch näherten. Panik schien sich in dem Wagen auszubreiten, der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein, und er schob das Auto, das hinter ihm stand, einfach weg, um sich Platz zu verschaffen und nach rechts ausweichen zu können.
Marian kam keuchend genau in dem Moment oben an der Straße an, als der Jeep sich aus der Reihe wartender Autos befreite und über den Bürgersteig an den vor ihm wartenden Autos vorbeifuhr. Er raste bei Rot über die Ampel und fuhr in Richtung Kringlumýrarbraut. Die Polizisten überholten Marian und verfolgten den Wagen, doch sie konnten nichts mehr ausrichten, der Jeep war bereits den Blicken entschwunden. In all der Hektik hatte niemand feststellen können, ob er als Botschaftswagen registriert war. Doch Marian hielt es für unwahrscheinlich, dass bewaffnete Männer Botschaftswagen für ihre Zwecke verwendeten.
Als Marian und Albert zur Halle zurückkehrten, strömten die Menschen bereits nach draußen. Marian beobachtete, wie der sowjetische Botschafter von den ihn umringenden Begleitpersonen zu einem Wagen mit grauen Gardinen an den seitlichen Rückfenstern geführt wurde. Die Limousine fuhr los.
Albert stieß Marian an.
»Sind das nicht Angehörige der amerikanischen Botschaft?«, sagte er.
Auf dem Parkplatz östlich der Halle war ein großer amerikanischer Jeep vorgefahren. Zwei Männer standen vor dem Wagen und rauchten, zwei saßen hinten im Wagen. Alle vier sahen mit ihren Anzügen und Krawatten wie aus dem Ei gepellt aus, sie blickten immer wieder auf ihre Armbanduhren und behielten den Haupteingang im Auge, ohne sich miteinander zu unterhalten. Wagen mit dem Kennzeichen CD waren vor der Veranstaltungshalle zu sehen, was in diesen sommerlichen Tagen nichts Ungewöhnliches war, trotzdem schöpfte Albert nach den vorausgegangenen Ereignissen Verdacht.
Marian und Albert gingen auf die Männer zu, die beiden Raucher sahen sich an, warfen die Zigaretten auf den Boden, stiegen in den Jeep und fuhren davon.
»Was ist hier eigentlich im Gange?«, stöhnte Albert und sah dem Jeep nach. »Wer war das denn?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Marian.
»Ist Vygocki die Flucht gelungen? In wessen Händen befindet er sich jetzt? Wer hat ihn geschnappt?«
»Auf jeden Fall ist er uns entwischt, der Mistkerl«, sagte Marian.
Vierundvierzig
Josef lehnte an seinem Fischerschuppen an der Ægisíða, als Marian eintraf und den Wagen abstellte. Der Himmel war verhangen, und im Osten drohten Regenwolken.
»Hast du lange gewartet?«, fragte Marian.
»Kein Problem«, sagte Josef. »Ich bin hier mit meinem Bruder verabredet. Was ist bei der ballistischen Untersuchung herausgekommen? Ihr habt doch die Kugel auf dem Boden gefunden?«
»Ja, man hat sie identifizieren können. Hast du das Abhörprotokoll dabei?«
»Marian, ich bekomme keine Protokolle. Das habe ich dir damals gleich gesagt, als ich diese Informationen an dich weitergab. Das läuft nicht so, als würde man in die Stadtbibliothek gehen und sich ein Buch ausleihen. Abhörmanöver dieser Art sind geheim.«
»Na dann. Aber wie bist du denn an diese Informationen herangekommen?«
»Ich mag es nicht, wenn man mich unter Druck setzt, Marian«, erklärte Josef, der sichtlich gekränkt und verstimmt war. »Du darfst diese abgehörten Informationen nicht verwenden. Nur unter der Bedingung habe ich sie an dich weitergegeben. Du kannst mir nicht damit drohen, dass du dich an die Presse wenden
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