Duell: Island Krimi (German Edition)
du dich, unseren Vater zu treffen?«
»Er war doch nie mein Vater. Er war dein Vater und der deiner Schwester, aber niemals meiner. Ich kenne ihn überhaupt nicht, ich weiß nichts über ihn«, entgegnete Marian und fuhr nach einer Pause fort: »Sag mir, wie konnte jemand mit deinem Hintergrund so ein eingefleischter Sozialist werden?«
»Keine Ahnung«, entgegnete Dagný lachend. »Wahrscheinlich hat es etwas mit meinem Gerechtigkeitssinn zu tun. Außerdem bin ich gegen die Militärbasis in Keflavík. Möglicherweise spielt auch noch die Auflehnung gegen meine Eltern eine Rolle. Meine Mutter war wahrscheinlich noch härter als mein Vater oder meine Großmutter. Ich glaube nämlich, dass vor allem sie dafür sorgte, dass Papa keine Verbindung zu dir aufnahm.«
Marian schwieg.
»Ich meine, es wäre gut und wichtig für dich, wenn du ihn treffen würdest«, fuhr Dagný fort.
Marian verkniff sich jegliche Reaktion auf diese Aussage und versuchte lieber noch einmal, das Thema zu wechseln.
»Sprechen wir über diesen Viðar. Kannst du dich sonst irgendwie an ihn erinnern?«
»Natürlich, er war ja bei allen Parteiversammlungen dabei und meldete sich häufig zu Wort. Er war zunächst so etwas wie ein Hansdampf in allen Parteigassen, und er hatte auch exzellente Kontakte zur Führungsclique. Doch als dann die Volksallianz gegründet wurde, hat er sich völlig zurückgezogen. Ich hab ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Hrefna glaubt, dass er immer noch irgendwelche Verbindungen nach Moskau hat.«
»Aber sie weiß nicht, was für welche?«
»Nein, das solltest du ihn wirklich lieber selber fragen. Darüber sollte man besser keine Gerüchte verbreiten.«
»Da hast du vermutlich recht«, sagte Marian. »Das Thema ist heikel, und man muss sich auf die Leute verlassen können, damit solche Dinge nicht sofort in der ganzen Stadt herumgetratscht werden, das würde auch die Ermittlung erheblich beeinträchtigen.«
»In Moskau war er seinerzeit mit einer Isländerin zusammen.«
»Viðar?«
»Ja, und ich glaube, dass diese Beziehung immer noch besteht. Als die beiden aus Moskau zurückkamen, haben sie erst eine Zeitlang zusammengewohnt, aber jetzt leben sie in getrennten Wohnungen, was ihrer Beziehung aber offensichtlich guttut«, sagte Dagný und fügte mit einem Seitenblick auf Marian hinzu: »Es gibt sicher noch mehr Menschen, die das gut finden.«
»War es damals Liebe zwischen ihnen?«
»Ja, und ist es offensichtlich immer noch, soweit ich weiß.«
»Wer ist diese Frau?«
»Sie heißt Bríet. Eine sehr sympathische Frau, sie ist Krankenschwester und hat schon vor langer Zeit mit der Politik Schluss gemacht. Irgendwie kommt es mir sowieso so vor, als sei sie nie sonderlich politisch interessiert gewesen.«
Marian trank einen Schluck Kaffee und zog eine Zigarettenschachtel aus der Tasche.
»Du rauchst immer noch«, sagte Dagný.
»Ja, viel zu viel. Ich versuche aber, mich im Büro zurückzuhalten.«
»Mit deiner Krankengeschichte kann das doch nicht gut für dich sein?«
»Ich habe schon die Tuberkulose überlebt, da wird mich das Rauchen auch nicht umbringen«, erklärte Marian und zündete sich eine Zigarette an. »Ich versuche aber, so wenig wie möglich zu inhalieren.«
»Hrefna hat übrigens auch die Zigaretten erwähnt, die dieser Viðar damals in Moskau geraucht hat«, sagte Dagný. »Sie rochen entsetzlich, sagte sie.«
»Was für Zigaretten?«
»Die Viðar geraucht hat. Irgendwas Scheußliches aus Russland. Heißen die nicht Papirossy?«
»Papirossy?«
»Ja. Die bestehen zu einem großen Teil aus Papphülsen. Wie hieß das Zeug noch wieder, Hrefna hat das auch erwähnt. Das hatte mit irgendeinem Kanal zu tun.«
»Dem Belomorkanal?«
»Genau. Belomorkanal.«
Siebenundzwanzig
Während Marian sich mit Dagný unterhielt, mähte Albert mit einem altmodischen Motormäher, der andauernd absoff, den Rasen hinter dem Haus seiner Eltern. Er hatte den Eltern versprochen, ihnen bei der Gartenarbeit in ihrem Haus an der Bucht von Kópavogur zu helfen. Sein Vater besaß ein kleines Importunternehmen, das Südfrüchte einführte. In der Erinnerung an seine Kindheit kam es Albert manchmal so vor, als hätte er von nichts anderem gelebt als köstlichen Äpfeln, Apfelsinen und saftigen Pflaumen.
Der Rasenmäher hatte gerade ein weiteres Mal den Geist aufgegeben, und Albert brauchte viel Zeit, um ihn wieder in Gang zu bringen, doch dann schaffte er den Rest des Rasens. Dabei ging ihm das Gespräch mit
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